Nachspiel

Nachspiel

(Josefus’ Krieg VII 3) Um diese Zeit gerieten auch die Juden zu Antiochia in große Gefahr. Das jüdische Volk lebt bekanntlich über die ganze Erde zerstreut, besonders zahlreich in der seinem Stammlande benachbarten Provinz Syrien und hier wieder vorzugsweise in der Hauptstadt Antiochia. Die Nachfolger des Königs Antiochus Epifanes hatten den Juden Antiochias für ihre Synagoge alle bronzenen Weihgeschenke überlassen, die jener aus dem Tempel zu Jerusalem geraubt hatte, und ihnen dieselben bürgerlichen Rechte verliehen wie den Griechen. Infolgedessen war es den Juden gelungen, eine Menge Griechen zu ihrem Gottesdienst herüberzuziehen und sie so gewissermaßen zu einem Teil ihrer selbst zu machen.

Als nun aber zur Zeit der Kriegserklärung die Flamme des Judenhasses überall mächtig emporschlug, trat ein Mitglied der jüdischen Gemeinde namens Antiochus vor der im Theater tagenden Bürgerschaft auf und verklagte seinen eigenen Vater, den Vorsteher der antiochenischen Juden, und die übrigen Juden, sie gingen mit dem Plan um, in einer bestimmten Nacht die ganze Stadt in Brand zu stecken. Zugleich lieferte er ihnen einige von auswärts gekommene Juden als angebliche Teilnehmer an der Verschwörung. Die Antiochener ließen unverzüglich im Theater einen Scheiterhaufen für diese errichten und sie samt und sonders zu verbrennen. Alsdann schickten sie sich an, über ihre jüdischen Mitbürger herzufallen. Um seinen Haß gegen die jüdischen Bräuche zu beweisen, opferte Antiochus nicht nur selbst nach griechischer Sitte, sondern machte auch den Vorschlag, man solle die übrigen Juden dazu zu nötigen; an der Weigerung werde man die Verschwörer erkennen. Die Antiochener machten auch wirklich die Probe und richteten die Widerspenstigen hin. Antiochus aber ging mit Hilfe von Soldaten, die ihm der römische Statthalter gegeben, schroff gegen seine eigenen Volksgenossen vor und zwang sie, am Sabbat alle werktäglichen Arbeiten zu verrichten.

Als nun bald danach der Viereckige Markt, das Rathaus, das Archiv und die Basiliken abbrannten, bezichtigte sofort Antiochus die Juden der Brandstiftung; und schon wollten die Antiochener sich wie rasend auf die Verleumdeten stürzen, da gelang es dem römischen Legaten – der neue Stadthalter war noch nicht eingetroffen –, ihre  Aufregung zu beschwichtigen; er verlangte, man solle ihn über das Geschehene zunächst nach Rom berichten lassen. Inzwischen hatte er Gelegenheit, den wahren Sachverhalt zu ermitteln: Der Brand war das Werk einiger Ruchlosen, die in hohem Grade verschuldet waren und nun die im Rathaus aufbewahrten Schuldurkunden hatten vernichten wollen, damit man keine Forderung mehr an sie stellen könnte.

(5) Als bald darauf Titus durch Antiochia kam und die Antiochener ihn mit der Bitte bestürmten, er möge die Juden aus ihrer Stadt vertreiben, antwortete Titus: „Ihr Stammland, in das man sie verweisen sollte, ist vernichtet; und kein anderer Ort wird sie aufnehmen.“ Ebenso lehnte er ihre Bitte ab, die bronzenen Tafeln, auf denen die Gerechtsame der Juden geschrieben standen, zu entfernen.

Von Antiochia reiste Titus so schnell wie möglich nach Alexandria weiter und von da nach Rom, wo sein Vater ihn zur Feier des vom Senat für sie beide beschlossenen Triumfes erwartete.

Am Tage des Siegesfestes blieb von der riesigen Bevölkerung Roms auch nicht ein Mann zu Hause und war jedes Plätzchen, wo man nur eben stehn konnte, besetzt. Nachdem schon während der Nacht das ganze Heer in Reih und Glied in der Nähe des Isistempels, wo die Imperatoren nächtigten, aufgestellt war, traten zu Beginn der Morgendämmerung Vespasian und Titus lorbeerbekränzt und mit dem Purpurgewand bekleidet heraus und begaben sich nach der Halle der Oktavia. Hier harrten der Senat, die obersten Beamten und die Ritter ihrer Ankunft. Vor der Halle war eine Tribüne errichtet, auf der elfenbeinerne Sessel für sie bereit standen. Kaum hatten sie dort Platz genommen, als das Heer ein Jubelgeschrei erhob. Auch die Soldaten waren ohne Waffen, in seidenen Kleidern und mit Lorbeer bekränzt. Vespasian nahm zunächst ihre Glückwünsche entgegen. Dann gebot er durch ein Zeichen Schweigen. Als allseits tiefe Stille eingetreten war, erhob er sich, verhüllte sein Haupt fast ganz mit dem Gewand und sprach das übliche Gebet; dasselbe tat Titus. Nach dem Gebet hielt Vespasian an alle Anwesenden eine kurze Ansprache und entließ die Soldaten zu dem üblichen, von den Imperatoren bereiteten Mahle.

Er selbst und Titus aber begaben sich zur Porta triumphalis, wo der Sitte gemäß die Triumfzüge beginnen. Hier stärkten sie sich mit einem Imbiß, legten die Triumfgewänder an, brachten den Göttern, die bei dem Tore ihren Tempel haben, ein Opfer dar und ließen den Zug antreten, der sich durch die Theater bewegte, damit das Volk ihn besser sehen könnte. Unmöglich ist es, die Menge der Sehenswürdigkeiten und die Pracht der Kunstwerke zu schildern, die hier zur Schau gestellt wurden, um einen Begriff von der Größe des Römischen Reiches zu geben. Gewänder, aus kostbarstem Purpur oder nach babylonischer Weise mit Bildern kunstvoll bestickt, blitzende Edelsteine in goldenen Kronen wurden in Menge vorbeigetragen. Auch Götterbilder sah man von erstaunlicher Größe und Tiere verschiedenster Art. Ganz herrlich war der reiche Schmuck derer, die den eigentlichen Festzug bildeten; sogar die Masse der Gefangenen war geschmückt, und die Buntheit ihrer Kleider verbarg dem Blick die peinlichen Spuren ihrer Mißhandlungen. In unzähligen Nachbildungen war der Krieg aufs anschaulichste dargestellt: Da sah man gesegnete Fluren der Verwüstung anheimfallen, Haufen von Feinden tot dahinsinken, andere fliehen, wieder andere in Gefangenschaft geraten; riesige Mauern unter den Stößen der Widder zusammenbrechen, ein Heer die Mauern einer volkreichen Städte ersteigen, in sie eindringen und alles mit Mord erfüllen, die flehenden Gebärden der Wehrlosen, Feuerbrände in Heiligtümer geschleudert, Häuser über ihren Bewohnern einstürzend. Die Kunst dieser Darstellungen führte die kriegerischen Ereignisse den damit Unbekannten so vor Augen, als wären sie selbst dabei. Massenhaft wurden dann die Beutestücke vorbeigetragen, unter denen besonders die aus dem Tempel zu Jerusalem stammenden Aufsehen erregten: ein goldener, mehrere Zentner schwerer Tisch und ein gleichfalls goldener Leuchter, aus dessen Fuß sich ein säulenartiger Schaft erhob, von dem rechts und links je drei dünne Stengel aufstiegen mit je einer bronzenen Lampe an den Enden, zusammen also sieben Lampen, entsprechend der Heiligkeit dieser Zahl bei den Juden. Als letztes Beutestück wurde das Gesetz der Juden zur Schau getragen. Dann folgten noch einige Männer mit Statuen der Siegesgöttin aus Gold und Elfenbein; und schließlich kame Vespasian und hinter ihm Titus, daneben auf prächtigem Roß Domitian.

Ziel des Zuges war der Tempel des Jupiter Kapitolinus, wo man halt machte. Es ist nämlich alte Sitte, dort zu warten, bis ein Bote den Tod des feindlichen Heerführers meldet. Das war Simon Giorassohn, der mit den anderen Gefangenen im Triumf aufgeführt worden war. Jetzt wurde ihm ein Strick umgeworfen und er auf eine Höhe über dem Forum geschleppt, während seine Führer ihn zugleich geißelten. Hier werden nämlich nach römischem Brauch die verurteilten Verbrecher hingerichtet. Als dann sein Tod verkündet wurde, erhob sich ein allgemeines Jubelgeschrei, und es begannen die Opfer, nach deren Beendigung die Imperatoren in den Palast zurückkehrten.

Darauf erfreuten sich alle Festteilnehmer an üppigen Gelagen; denn diesen Tag feierte die Stadt Rom als Dankfest für den siegreichen Feldzug, als das Ende der inneren Wirren und als den Anfang einer, wie man hoffte, glücklichen Zukunft.

Nach dem Triumf erbaute Vespasian der Friedensgöttin einen kostbaren Tempel, den er mit älteren Meisterwerken der Malerei und Bildhauerei schmückte. In diesem Heiligtum sollte alles gesammelt werden, zu dessen Besichtigung man sonst die ganze Welt hätte durchreisen müssen. Hierhin ließ er auch die goldenen Prachtstücke aus dem Tempel zu Jerusalem bringen. Das Gesetz der Juden aber und die purpurnen Vorhänge des Allerheiligsten befahl er in seinen Palast zu schaffen und dort sorgfältig aufzubewahren.

(6) Darauf wurde Lucilius Bassus als Legat mit einem Heere nach Judäa geschickt. Dieser zog mit seiner ganzen Truppenmacht gegen das durch natürliche Lage und künstliche Befestigung fast uneinnehmbare Machärus[1]. Es war nämlich durchaus nötig, diese an der Südgrenze Peräas gelegene Festung zu zerstören, weil sie sonst eine Menge Juden zum Abfall gereizt hätte. Es gelang Bassus überraschend schnell, die jüdische Besatzung der Burg zur Übergabe zu bewegen.

Alle Ländereien der Juden ließ Vespasian verkaufen; denn er legte dort keine Stadt wieder an, sondern behielt das Land für sich. Nur achthundert entlassenen Soldaten wies er im Bezirk von Emmaus, dreißig Stadien von Jerusalem entfernt, Siedlungsland an. Allen Juden aber, wo sie auch wohnen mochten, legte er eine jährliche Kopfsteuer von zwei Drachmen auf, die sie für den Tempel des Jupiter Kapitolinus in Rom wie früher für den Tempel in Jerusalem entrichten sollten.

(8.9) Nach Bassus’ Tode übernahm Flavius Silva das Amt des Prokurators von Judäa. Er fand das ganze Land unterworfen mit Ausnahme der Festung Masada, wo sich noch immer die Sikarier unter Eleazar Jairssohn hielten, einem Nachkommen jenes Judas, der zur Zeit des Quirinius viele Juden beredet hatte, sich die Schätzung nicht gefallen zu lassen[2]. Auch jetzt hatten sich die Sikarier gegen alle verschworen, die sich den Römern fügten, und behandelten sie in jeder Beziehung als Feinde, indem sie ihnen ihre Habe raubten und ihre Häuser in Brand steckten. Es gelang Silva, sich mit großer Zähigkeit an die Festung, die auf einer nach allen Seiten schroff abfallenden Gipfelfläche erbaut und mit Waffen und Lebensmitteln aufs beste versehen war, heranzuarbeiten und sie sturmreif zu machen. Doch bevor die Römer zum Sturm antraten, überredete Eleazar seine Männer, indem er sie auf das furchtbare Schicksal hinwies, das sie und ihre Frauen und Kinder treffen würde, wenn sie lebend in die Hände der Römer fielen, daß jeder seine Frau und Kinder, dann zehn Männer alle andern und schließlich einer von diesen die übrigen neun und sich selbst töten sollte, nachdem sie zuvor all ihre Habe und die ganze Burg durch Feuer vernichtet hätte. Als die Römer am nächsten Morgen in die Festung eindrangen, empfing sie eine unheimliche Stille und Feuerflammen. Nur zwei Frauen kamen aus einer unterirdischen Trinkwasserleitung hervor, in die sie sich mit fünf Kindern verkrochen hatten, und berichteten ihnen was geschehen war. Die Römer wollten es zuerst nicht glauben; doch als sie durch die Flammen ins Innere vordrangen, fanden sie alles bestätigt und zollten der unerschütterlichen Todesverachtung so vieler Menschen volle Bewunderung. Die Zahl der Toten, Frauen und Kinder mit eingerechnet, belief sich auf neunhundertsechzig.

(10) Kurz nach dem Fall Masadas kamen die Juden von Alexandria in Ägypten in eine mißliche Lage. Die Sikarier nämlich, denen die Flucht dorthin geglückt war, suchten, nicht zufrieden mit heiler Haut davongekommen zu sein, neue Unruhen zu stiften. Sie überredeten viele von denen die ihnen Aufnahme gewährten, sich für die Freiheit zu erheben und keinen Herrn anzuerkennen außer Gott. Angesichts dieses wahnwitzigen Treibens glaubten die Obersten des Ältestenrates selbst in Gefahr zu sein, wenn sie die Sikarier noch länger gewähren ließen. Sie beriefen daher die ganze Judenschaft zu einer Versammlung, enthüllten die Anschläge der Aufwiegler, schilderten sie als die Urheber alles den Juden bislang zugestoßenen Unglücks und forderten das Volk auf, die Bösewichte festzunehmen und an die Römer auszuliefern. Das geschah. Sechshundert von ihnen wurden so auf der Stelle gefangen genommen; andere, die sich nach Oberägypten, besonders nach Theben, geflüchtet hatten, bald danach. Ihr Starrsinn oder ihre Seelenstärke – wie mans nennen will – rief allgemeines Staunen wach. Denn alle erdenklichen Martern und Verstümmlungen die man an ihnen vollzog, um sie zur Anerkennung des römischen Kaisers als ihres Herrn zu zwingen, vermochten nicht einen von ihnen zur Nachgiebigkeit zu bewegen.

Als Vespasian von diesen Vorgängen durch Lupus, den Statthalter zu Alexandria, erfuhr, war er überzeugt daß die Empörungssucht der Juden nie zur Ruhe kommen werde, wenn sie Gelegenheit hätten, in größerer Menge zusammenzukommen. Er befahl daher, den Tempel des Onias zu zerstören. Dieser Tempel verdankt seinen Namen wie seine Erbauung folgender Veranlassung: Onias Simonssohn, einer der Hohenpriester zu Jerusalem, war vor König Antiochus von Syrien nach Alexandria geflohen. Hier fand er freundliche Aufnahme beim Könige Ptolemäus und versprach diesem dafür, das ganze jüdische Land auf seine Seite zu bringen, wenn er ihm erlaube, irgendwo in Ägypten einen Tempel zu bauen und einen Gottesdienst nach der Sitte seiner Väter einzurichten; dann würden nämlich die Juden gegen Antiochus, den Verwüster des Tempels zu Jerusalem, noch hartnäckiger kämpfen und sich um der freien Religionsübung willen massenhaft in Ägypten ansiedeln. Daraufhin schenkte ihm Ptolemäus einen Platz im Bezirk von Heliopolis[3]. Hier baute Onias den Tempel; aber nicht nach dem Muster des jerusalemischen sondern mehr burgartig, sechzig Ellen hoch. Dem Altar dagegen gab er eine ähnliche Gestalt wie dem in der Heimat; auch schmückte er den Tempel mit ähnlichen Weihgeschenken; nur ließ er keinen stehnden Armleuchter anfertigen sondern eine goldne Ampel die an einer goldenen Kette hing. Den ganzen Tempelplatz umgab er mit einer Backsteinmauer, die steinerne Tore hatte. Der König schenkte dann noch ein großes Stück Land, von dessen Ertrag die Priester ihr reichliches Auskommen haben und außerdem die Aufwendungen für den Gottesdienst bestreiten sollten. Als Lupus den Befehl aus Rom erhalten hatte, entnahm er dem Tempel einige Weihgeschenke und schloß ihn ab. Bald darauf starb er. Sein Nachfolger nahm alle Weihgeschenke aus dem Tempel weg und machte ihn völlig unzugänglich. Von seiner Erbauung bis zu seiner Schließung waren zweihundertdreiundvierzig Jahre vergangen.

Erklärungen

[1] Siehe Kapitel „Herodes Tyrannei und Bauten“, Fußnote 2!

[2] Vgl. Altertümer XVIII 1 Anfang!

[3] Etwas östlich vom Beginn des Nildeltas.