Kulturjournal

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22.12.2003 10:16
 

Nachrichten

Betreff Grass über Germanisten in der NS-Zeit
Autor Thomas Anz
Datum 22.12.2003 10:16
Nachricht

In einem Gespräch mit unserem Mitarbeiter Wulf Segebrecht, das die FAZ am 22.12.03 publiziert, wendet sich Günter Grass gegen die "eingeübte Spiegel-Häme", mit der
die NSDAP-Mitgliedschaft von Walter Jens, Peter
Wapnewski und seinem Freund Walter Hoellerer kommentiert
wurde. Diese wurde durch das eben bei de Gruyter erschienene, von Christoph König im Marbacher Literaturarchiv herausgegebene Germanisten-Lexikon publik.  In der Nazi-Zeit, so Grass, seien diese Persönlichkeiten noch keine Germanisten gewesen. "Sie sind nicht einmal zum Studium gekommen! Walter Höllerer war im Jahr 1942 neunzehn Jahre alt." Grass selbst war fünf Jahre jünger. "Bei Kriegsende war ich zwar siebzehn Jahre alt, aber bis heute nagt an mir, daß ich als Fünfzehn-, Sechzehnjähriger nicht den hellen
Blick gehabt habe, das Verbrecherische dieses Systems zu
durchschauen. Ich kann nicht ausschließen, dass ich, wenn
ich fünf Jahre älter gewesen wäre, wahrscheinlich auch
irgend so einen Schrieb unterzeichnet hätte." Auf die Frage Segebrechts, wie sich Grass erkläre, dass die Betroffenen "teils diese Geschichte ganz ableugnen, teils sich nur Stück für Stück allmählich an sie erinnern wollen", antwortete Grass: "Scham! Ich kann es nur von meiner eigenen Biographie her erklären. [...] diese Dinge setzen sich fest und führen dann zu einer
Scham, auch zu einem Beduerfnis, das zu verdecken, es nicht
zu erwähnen sich selbst gegenüber."
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