Rückkehr der Verschleppten

TROST- UND WECKRUFE DES GROßEN UNBEKANNTEN[1] (Jesaja XL-LV)

Rückkehr der Verschleppten

(Jesaja XL)

Tröstet tröstet mein Volk! spricht euer Gott;

macht Jerusalem Mut und ruft ihm zu
daß zu Ende seine Fron, bezahlt seine Schuld;
denn doppelt strafte es Jahwes Hand für all seine Sünden.

Eine Stimmt ruft: Durch die Wüste bahnt Jahwe[2] einen Weg,
ebnet durch die Steppe eine Straße unserm Gott!

jedes Tal soll sich heben, jede Höhe sich senken,
das Bergland zur Ebne, der Grat zur Schlucht werden!

Steig auf den höchsten Berg, Freudenbotin Zion,
erheb deine Stimme mit Macht, Freudenbotin Jerusalem!
Sprich zu den Städten Judas: Seht, da ist euer Gott!

Jahwe der Herr er kommt mit Macht, mit gebietendem Arme,

weidet treu wie ein Hirt seine Herde,
hält sie zusammen mit fester Hand,
trägt die Lämmer an seinem Busen,
leitet sacht ihre säugenden Mütter.

Erklärungen

[1] Die Kapitel XL – LV des Jesajabuches gehören einem großen unbekannten Profeten an, der etwa von 545 ab, als der Perserkönig Kyros nach der Eroberung des Lyderreiches (West-Kleinasien) sich gegen Babel wandte, diesen als den von Jahwe gesandten Befreier der Juden begrüßte und den Juden die nahe Heimkehr nach Jerusalem verkündete. Man hat sich gewöhnt, diesen Profeten als Deuterojesaja, d. i. zweiten Jesaja, zu bezeichnen. Eigenartig heben sich die Lieder vom Knecht Jahwes (XLII 1-8; IL 1-6; L 1-9; LII 13 – LIII) ab. Zahllose Versuche sind gemacht worden, die Bedeutung dieser Gestalt zu ermitteln. Die einen verstehen darunter das Volk Israel, genauer seine geistig-sittliche Elite, (tatsächlich wird in den Kapiteln XL – LV überall, z. B. in XLI 8, nur Israel als Knecht Jahwes bezeichnet), andere eine einzelne Person, etwa einen unbekannten Profeten und Märtyrer aus der Zeit der babylonischen Gefangenschaft, ja, den Verfasser selbst, dem von seinen Anhängern in LII 13 – LIII ein tief empfundener Nachruf gewidmet sei.  Keiner dieser Deutungsversuche hat sich siegreich durchgesetzt, da sich bei jedem Unstimmigkeiten ergeben. Die Schwierigkeiten der Deutung werden dadurch noch vermehrt, daß, besonders in LII 13 – LIII, der Text oft unsicher, ja unverständlich ist. Auf jeden Fall aber gehören diese Lieder von dem für andre unschuldig leidenden Gerechten zu dem religiös Tiefsten was Juda hervorgebracht hat. Die ältesten Christen haben sie auf Jesus bezogen (Matthäus VIII 17; XII 15-21; Johannes XII 37.38), das Rätsel, das ihnen seine Kreuzigung aufgab, mit ihrer Hilfe zu lösen versucht (1. Korinther XV 3; Apostelgeschichte VIII 26-35; 1. Petrus II 21-24; Lukas XXII 37; Hebräer IX 28) Und die Leidensgeschichte Jesu mit ihren Farben (L 6) ausgemalt.

[2] Als dem Führer der Heimkehrer.