Sanheribs Feldzug gegen Juda. Jerusalems Rettung

Sanheribs Feldzug gegen Juda. Jerusalems Rettung

I

(2. Könige XVIII 7) Hiskia fiel ab vom Könige Sanherib von Assur. (13) Da zog dieser gegen alle festen Städte Judas heran und nahm sie ein. (14) Nun sandte Hiskia Boten nach Lachis und ließ Sanherib sagen: „Ich habe mich vergangen. Zieh wieder ab! Was du mir auferlegst will ich tragen.“ Da legte der König von Assur Hiskia eine Abgabe von dreihundert Zentnern Silber und dreißig Zentnern Gold auf. (15) Und Hiskia gab alles Silber her, das sich im Tempel Jahwes und in den Schatzkammern des königlichen Palastes befand.

II

(17) Der König von Assur sandte den Rabsake[1] mit großer Heeresmacht von Lachis gegen Jerusalem. Als er ankam, stellte er sich auf bei der Wasserleitung des Oberen Teiches an der Walkerfeldstraße (18) und ließ den König rufen. Da gingen zu ihm hinaus Palastvorsteher Eljakim, Kanzler Sebna und Geheimrat Joah. (19) Der Rabsake sagte: „Meldet Hiskia: So spricht der Großkönig, der König von Assur: Was hegst du für eine Zuversicht? (20) Meinst du, bloße Worte könnten im Kriege Klugheit und Stärke ersetzen? Auf wen vertraust du? (21) Etwa auf diesen Rohrstab Ägypten, der jedem, der sich darauf stützt, die Hand durchbohrt? (23) Wette doch mit uns! Ich will dir zweitausend Pferde geben, wenn du die Reiter stellen kannst.“ (26) Eljakom bat: „Rede doch mit deinen Knechten aramäisch! wir verstehn es; rede nicht judäisch mit uns vor den Ohren des Volkes auf der Mauer!“ (27) Doch der Rabsake erwiderte: „Hat mich denn mein Herr nur zu deinem Herrn und zu dir gesandt und nicht vielmehr zu den Männern, die bei euch auf der Mauer sitzen, um ihren Kot zu essen und ihren Harn zu trinken?“ (28) Und er rief laut auf judäisch: „Hört die Botschaft des Großkönigs, des Königs von Assur! (29) So spricht der König: Laßt euch von Hiskia nicht betören! er kann euch nicht auf meiner Hand erretten. (30) Laßt euch von Hiskia nicht auf euren Gott vertrösten und sagen: Ganz gewiß wird Jahwe uns retten; diese Stadt wird nicht in die Hand des Königs von Assur fallen! (33) Haben die Götter der andern Völker ihr Land aus der Hand des Königs von Assur errettet, (33) daß Jahwe Jerusalem aus meiner Hand erretten sollte? (31) Hört also nicht auf  Hiskia! Denn so spricht der König von Assur: Schließt einen Vertrag mit mir und kommt heraus! so soll jeder von seinem Weinstock und Feigenbaum essen und Wasser aus seinem Brunnen trinken, (32) bis ich komme und euch hole in ein Land, das eurem Lande gleicht, ein Land voll Korn und Wein, voll Öl und Honig. So werdet ihr am Leben bleiben und nicht sterben.“ (36) Sie aber schwiegen, denn Hiskia hatte ihnen verboten zu antworten. (37) Eljakim Sebna und Joah aber kehrten mit zerrissenen Kleidern zu Hiskia zurück und meldeten ihm was der Rabsake gesagt hatte.

(XIX 1) Da zerriß auch Hiskia seine Kleider, zog den härenen Schurz an (2) und sandte Eljakim Sebna und die Ältesten der Priester in härenen Schurzen zum Profeten Jesaja (3) und ließ ihm sagen: „Ein Tag der Drangsal und Züchtigung ist dieser Tag. (4) Vielleicht aber hat dein Gott Jahwe die Worte des Rabsake gehört, den sein Herr, der König von Assur, gesandt hat, den lebendigen Gott zu verhöhnen, und ahndet die Reden die er geführt hat. So bete denn für den Rest der noch am Leben ist!“ (5) Als die Boten zu Jesaja kamen, (6) sprach dieser: „Sagt eurem Herrn: So spricht Jahwe: Fürchte dich nicht vor den Reden, mit denen mich die Boten des Königs von Assur gelästert haben! (7) Ich will ihm einen Geist[2] eingeben, daß er ein Gerücht hört und in sein Land zurückkehrt; und dort will ich ihn durchs Schwert umkommen lassen.“

(8) Als der Rabsake zurückgekehrt war, traf er Sanherib mit der Belagerung von Libna beschäftigt. (9) Aber auf die Nachricht, König Tirhaka von Nubien ziehe gegen ihn heran, (36) gab Sanherib die Belagerung auf und kehrte nach Niniwe zurück. (37) Als er nun einmal im Tempel seines Gottes betete, erschlugen ihn zwei seiner Söhne; sie mußten fliehen in das Land Ararat, sein Sohn Asarhaddon aber wurde König an seiner Statt.

III

(9b) Der König von Assur sandte Boten an Hiskia und ließ ihm sagen: (10) „Laß dich durch das Vertrauen auf deinen Gott nicht verführen zu glauben, Jerusalem werde nicht in die Hand des Königs von Assur fallen! (11) Du hast doch selbst gehört daß die Könige von Assur in allen Ländern den Bann vollstreckt haben, und du solltest entrinnen? (12) Haben denn die Götter der Völker, die von meinen Vätern vernichtet sind, diese gerettet?“ (14) Als Hiskia den Brief aus der Hand der Boten empfangen und ihn gelesen hatte, stieg er hinauf zum Hause Jahwes und breitete ihn vor Jahwe aus. (15) Und er betete: „Jahwe Zebaot, du Gott Israels, der du thronst über den Eheruben, du allein bist Gott über alle Reiche der Erde; du hast den Himmel gemacht und die Erde.[3] (16) Neig Jahwe deine Ohren und hör, öffne Jahwe deine Augen und sieh! Ja, hör die Botschaft Sanheribs, die er gesandt, den lebendigen Gott zu verhöhnen! (17) Es ist wahr, Jahwe, die Könige von Assur haben die Völker vertilgt (18) und ihre Götter ins Feuer geworfen; aber das waren nicht Götter, sondern Werk von Menschenhänden, Holz und Stein; so konnten sie sie vernichten. (19) Nun aber, Jahwe unser Gott, rette uns aus seiner Hand, damit alle Reiche der Erde erkennen daß du allein Gott bist!“

(20) Da ließ Jesaja Hiskia sagen: „So spricht Jahwe, der Gott Israels: Was du zu mir gebetet hast Sanheribs wegen das hab ich gehört. (32) Er soll nicht eindringen in diese Stadt, keinen Pfeil hineinschießen, mit keinem Schild gegen sie anrennen, keinen Wall gegen sie aufschütten. (33) Auf dem Wege, den er gekommen, soll er zurückkehren. (34) Ich werde diese Stadt beschirmen um meinet- und meines Knechtes Dawid willen.“ (35) In derselben Nacht zog der Engel Jahwes aus und schlug im Lager Assurs hundertfünfundachtzigtausend Mann; am nächsten Morgen lag alles voll von Leichen.[4]

Erklärungen

[1] Titel eines hohen assyrischen Beamten.

[2] Vgl. 1. Könige XXII 20-22!

[3] Der Gott Israels der Gott der ganzen Welt! Diese Vorstellung zeigt daß der III. Bericht erst während der Babylonischen Gefangenschaft entstanden sein kann. Vgl. Jesaja XLV 1-5!

[4] Außer den drei israelischen Berichten über Sanheribs Rachezug gegen Juda und den darauf bezüglichen Sprüchen Jesajas haben wir noch den ausführlichen Bericht Sanheribs selbst, aus dem wir erfahren, daß beim Tode seines Vaters Sargon viele von den Assyrern unterworfene Völker sich erhoben, daß es ihm aber in mehreren Feldzügen gelang, die Abtrünnigen wieder zu unterwerfen. Über seinen dritten Feldzug, den des Jahres 701, berichtet Sanherib, er habe zunächst Fönizien Ammon Moab Edom Askalon und, nach Besiegung eines ägyptisch-nubischen Entsatzheeres, Ekron unterworfen. Dann fährt er fort: „Hazakiau von Juda, der sich meinem Joch nicht unterworfen hatte, 46 seiner ummauerten Städte nebst den zahllosen sie umgebenden Dörfern griff ich mit Belagerungsmaschinen an und eroberte sie. 200150 Menschen, groß und klein, Männer und Frauen, dazu zahllose Pferde Esel Maultiere Kamele Rinder und Kleinvieh führte ich fort als Beute. Ihn selbst schloß ich wie einen Vogel im Käfig in Jerusalem ein und warf Schanzen gegen ihn auf. Die geplünderten Städte trennte ich von seinem Lande ab und gab sie den Königen von Asdod Ekron und Gaza. Ihn aber, Hazakiau, warf die Furcht vor dem Glanze meiner Herrschaft nieder. Zusammen mit 30 Zentnern Gold und 800 Zentnern Silber ließ er Edelsteine Elfenbeinbetten Thronsessel und viele andre Schätze, dazu seine Töchter Palastdamen Musikanten und Musikantinnen hinter mir her in meine Residenz Niniwe schicken, um mir zu huldigen.“ Mit dem Bericht Sanheribs stimmt der I. israelische im wesentlichen überein und lässt sich der II. im wesentlichen vereinbaren; nur daß letztere die Tatsache, daß Sanherib Jerusalem nicht in seine Hand bekam, zum alleinigen Thema hat, während Sanherib es vorzieht davon zu schweigen. Daß Sanherib die Belagerung Jerusalems, dieser wichtigen Festung die bei nächster Gelegenheit wieder zum Stützpunkt eines Aufstandes werden konnte, nicht zu Ende führte, muß einen triftigeren Grund gehabt haben als den Tribut den Hiskia zahlte. Der II. israelische Bericht gibt als Grund das Gerücht an, daß aufs neue ein nubisches Heer herangezogen sei, der III., sehr legendarische, scheint auf den Ausbruch einer Pest im assyrischen Heere zu deuten. Jesaja hatte seinen König und sein Volk schon unter Sargon (XX 1-4) und noch nachdrücklicher unter Sanherib (XXVIII-XXXI) vor der Hoffnung gewarnt, daß Juda mit ägyptischer Hilfe sich von Assur befreien könne, und zum Ruhehalten und zum Vertrauen auf Jahwe (XXX 15) ermahnt. Als er dann aber die grauenvolle Verwüstung Judas durch Sanherib sah, von der er I 4-9 ein so eindrucksvolles Bild gibt, wurde ihm der Krieg zum heiligen Krieg für die höchsten Güter und für die Rettung des „Restes“ Judas, an die er schon früh (VII 3 Searjasub) geglaubt; wobei er nun den „Rest“ mit Jerusalem gleichsetzte (I 9). Er geißelte den Hochmut Assurs und seines Königs, die glaubten aus eigner Kraft und nicht als Jahwes Werkzeuge ihre früheren Siege errungen zu haben (X 5-14), und stellte Jahwes Hilfe in sichre Aussicht (XXXI 4.5 2. Könige XIX 21-28).