Dawids Flucht. Verhalten von Freund und Feind während seiner Flucht

Dawids Flucht. Verhalten von Freund und Feind während seiner Flucht

(2. Samuel XV 13) Als man Dawid meldete: „Die Israeliten haben sich Absalom zugewandt!“ (14) befahl er seinen Männern, die bei ihm in Jerusalem waren: „Laßt uns fliehen! Sonst gibt es für uns keine Möglichkeit, Absalom zu entrinnen.“ (15) Sie antworteten: „Ganz wie der Herr König befiehlt!“ (16) So zog der König aus, und sein ganzer Hof ihm nach; nur zehn Kebsweiber ließ er zurück, den Palast zu bewachen.

(17) Am letzten Hause machte er halt (18) und ließ alle Kreti und Pleti und Itai aus Gat mit seinen sechshundert Männern, die ihm aus Gat gefolgt waren, an sich vorbeiziehen. (19) Und er fragte Itai: „Warum willst auch du mit uns gehn? Kehr um! denn du bist ein Fremder und aus deiner Heimat verbannt; (20) gestern erst bist du gekommen, und heute schon sollte ich dich aufs Ungewisse mit auf die Wanderschaft nehmen und weiß selbst nicht wohin? kehr um und führ deine Landsleute mit dir zurück! Jahwe behüte dich!“ (21) Doch Itai erwiderte: „So wahr Jahwe lebt und so wahr mein Herr König lebt, nein! wo mein Herr König ist, es sei zum Leben oder zum sterben, da ist auch dein Knecht!“ (22) Da sagte Dawid: „Gut, zieh vorbei!“ So zog denn Itai mit seinen Männern und seinem ganzen Troß vorbei.

(23) Als der König den Kidron überschritt, (24) waren da die Priester Zadok und Abjatar, die die Lade Gottes trugen; sie hatten die Lade dort niedergesetzt, bis alles Volk aus der Stadt vorbei war. (25) Aber der König befahl ihnen: „Bringt die Lade Gottes wieder in die Stadt! Finde ich Gnade vor Jahwe, so wird er mich zurückführen, daß ich ihn und seine Wohnung wiedersehe; (26) spricht er aber: Ich habe kein Gefallen an dir –, nun so tue er mir was ihm gefällt!“ (27) Kehrt ruhig in die Stadt zurück mit euren Söhnen Ahimaaz und Jonatan! (28) Ich bleibe bei den Furten, bis ein Bote von euch kommt und mir Nachricht gibt.“ (29) So brachten denn Zadok und Abjatar die Lade Gottes nach Jerusalem zurück und blieben dort.

(30) Dawid aber stieg weinend den Ölberg hinauf, verhüllten Hauptes und barfuß; auch alle, die bei ihm waren, hatten ihr Haupt verhüllt und weinten. (31)  Als man dann Dawid meldete: „Auch Ahitofel ist unter den Verschwörern bei Absalom“, da betete er: „Jahwe, gib doch Ahitofel einen törichten Rat ein!“ (32) Als er den Gipfel des Berges erreicht hatte, wo man Gott anbetet,[1] kam ihm Husai, sein Vertrauter, entgegen mit zerrissenem Rock und Erde auf dem Haupt. (33) Dawid sagte zu ihm: „Wenn du mit mir gehst, so fällst du mir nur zur Last; (34) wenn du aber in die Stadt zurückkehrst und zu Absalom sagst: Vordem war ich deines Vaters Knecht, nun aber will ich dein Knecht sein, König! so kannst du mir den Rat Ahitofels zunichte machen. (35) Dort sind auch die Priester Zadok und Abjatar; alles was du aus des Königs Hause erfährst teile ihnen mit! (36) Durch ihre Söhne Ahimaaz und Jonatan könnt ihr mir alles berichten was ihr hört.“ (37) So kam Husai nach Jerusalem, als Absalom gerade in die Stadt einzog.

(XVI 1) Als Dawid den Gipfel des Ölbergs eben überschritten hatte, kam ihm Ziba, der Knecht Sauls,[2] entgegen mit einem Paar gesattelter Esel, die trugen zweihundert Brote, hundert getrocknete Trauben, hundert frische Früchte und einen Schlauch Wein. (2) Der König fragte: „Was soll das?“ Ziba antwortete: „Die Esel sind zum Reiten für die Familie des Königs, die Brote und Früchte zum Essen für die Diener und der Wein zum Trinken für die in der Wüste Ermatteten.“ (3) Der König fragte: „Wo ist denn der Sohn deines Herrn?“ Ziba antwortete: „Der ist in Jerusalem geblieben; er hofft, jetzt werde ihm Israel das Königtum seines Großvaters zurückgeben.“[3] (4) Da sagte der König: „So soll alles was Meribaal gehört dein sein!“ Ziba antwortete: „Ich werfe mich nieder. Bewahr mir weiter deine Huld, Herr König!“

(5) Als Dawid sich Bahurim näherte, kam ein Mann von der Sippe Sauls heraus namens Simei; der überschüttete ihn mit Verwünschungen (6) und warf mit Steinen nach ihm und seinen Dienern, obwohl die Helden zu seiner Rechten und Linken gingen. (7) Er schrie: „Hinaus hinaus du Bluthund du Hundsfott! (8) Jahwe hat alles Blut des Hauses Sauls über dich gebracht und das Reich deinem Sohne Absalom gegeben; nun bist du im Unglück, weil du ein Bluthund bist.“[4] (9) Da sagte Abisai[5] zum Könige: „Darf dieser verreckte Hund meinem König fluchen? Ich will hingehn und ihm den Kopf abschlagen.“ (10) Der König erwiderte: „Was maßt ihr euch an, Zerujassöhne? Wenn Jahwe ihm befohlen hat: Fluche Dawid! wer darf dann fragen: Warum tust du das?[6] (11) Mein eigner Sohn trachtet mir nach dem Leben; wieviel mehr dieser Benjaminit! (12) Vielleicht sieht Jahwe mein Elend und vergilt mir mit Gutem den Fluch der mich heute trifft.“ (13) So zog Dawid mit seinen Männern weiter, während Simei am Hang des Berges neben ihm herging und in einem fort Verwünschungen ausstieß, Steine nach ihm schleuderte und ihn mit Erde bewarf. (14) Schließlich kam der König mit allen die bei ihm waren müde am Jordan an. Dort atmete er auf.

(15) Inzwischen war Absalom mit den Israeliten in Jerusalem eingezogen; auch Ahitofel war bei ihm. (16) Da ging Husai, Dawids Vertrauter, zu Absalom und rief: „Es lebe der König! es lebe der König!“ (17) Absalom fragte: „Ist das deine Liebe zu deinem Freunde? Warum bist du nicht mit deinem Freunde gezogen?“ (18) Husai erwiderte: „Nein! sondern den Jahwe und alle Männer Israels erwählt haben, dem gehöre ich und bei dem bleibe ich. (19) Und zweitens: Wem diene ich denn? Doch dem Sohne! Wie ich deinem Vater gedient habe so will ich auch dir dienen.“

(20) Darauf sagte Absalom zu Ahitofel: „Rate mir was ich nun tun soll!“ (21) Ahitofel antwortete: „Geh zu den Kebsweibern deines Vaters, die er zurückgelassen hat den Palast zu bewachen! Wenn ganz Israel sieht daß du dich bei deinem Vater unmöglich[7] gemacht hast, so werden deine Anhänger um so entschlossener sein.“ (22) Da schlug man auf dem Dache ein Zelt auf, und Absalom ging zu den Kebsweibern seines Vaters vor den Augen ganz Israels. (23) Wenn damals Ahitofel einen Rat gab, so war das so gut wie ein Gottesspruch.

(XVII 1) Danach schlug Ahitofel Absalom vor: „Ich will mit zwölftausend ausgesuchten Männern Dawid noch heute nach verfolgen. (2) Wenn ich über ihn herfalle, während er noch müde und verzagt ist, so werden alle die bei ihm sind davonlaufen und brauche ich nur den König zu erschlagen. (3) Du trachtest je doch nur einem Manne nach dem Leben; das Volk wird verschont bleiben.“ (4) Dieser Vorschlag gefiel Absalom und den Ältesten; (5) doch befahl Absalom: „Ruft auch Husai! wir wollen hören was er dazu sagt.“ (6) Als Husai hereinkam, sagte Absalom zu ihm: „Das und das hat Ahitofel geraten; sollen wir seinem Rat folgen? Wo nicht, so rede du!“ (7) Husai antwortete: „Diesmal ist der Rat Ahitofels nicht gut. (8) Du weißt daß dein Vater und seine Männer Helden sind und grimmig wie eine Bärin in der Wildnis, der man die Jungen geraubt hat. Dazu ist dein Vater ein Kriegsmann, der sich nicht der Nachtruhe hingibt mit seinen Männern. (9) Gewiß liegt er jetzt in einer Schlucht oder irgendwo sonst versteckt. Wenn nun gleich zu Anfang einige der Unsern fallen und man davon hört, so heißt es: Absaloms Anhänger haben eine Niederlage erlitten! (10) Dann wird auch der Tapferste, und hätte er ein Löwenherz, verzagen. (11) Vielmehr rate ich: Ganz Israel von Dan bis Beerseba soll aufgeboten werden, so zahlreich wie der Sand am Meer, und unter deiner Führung ausziehn. (12) Treffen wir ihn dann in einem Orte wo er sich aufhält, so fallen wir über ihn her wie der Tau auf die Erde fällt; und es wird von ihm und all seinen Männern auch nicht einer am Leben bleiben. (13) Zieht er sich aber in eine Stadt zurück, so wird ganz Israel Stricke um diese Stadt legen und sie zu Tal schleifen, bis kein Steinchen mehr von ihr zu finden ist.“

(14) Da sagten Absalom und die Ältesten: „Der Rat Husaia ist besser als der Rat Ahitofels.“ Denn Jahwe hatte beschlossen, den klugen Rat Ahitofels zu vereiteln, um Unheil über Absalom zu bringen.

(15) Darauf teilte Husai den Priestern Zadok und Abjatar mit: „Das und das hat Ahitofel Absalom und den Ältesten geraten, und das und das habe ich geraten. (16) So meldet nun Dawid sofort: „Bleib nicht über Nacht an den Furten, sondern setz über, damit nicht du und alle die bei dir sind vernichtet werden!“ (17) Jonatan und Ahimaaz hielten sich an der Walkerquelle auf, denn sie durften sich in der Stadt nicht sehen lassen; da brachte ihnen eine Magd die Nachricht. Sofort machten sie sich auf, Dawid zu benachrichtigen. (18) Ein Knabe aber bemerkte sie und meldete es Absalom. ((Als nun die beiden die Reiter Absaloms hinter sich erblickten,)) liefen sie in das Haus eines Mannes in Bahurim, in dessen Hof sich eine Zisterne befand, in die stiegen sie hinab. (19) Die Frau aber deckte eine Matte über die Zisterne und schüttete Grütze darauf, sodaß man nichts merken konnte. (20) Als nun die Reiter Absaloms kamen und fragten: „Wo sind Ahimaaz und Jonatan?“ antwortete die Frau: „Sie sind zum Jordan gegangen.“ Da suchten sie nach ihnen; als sie sie aber nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück. (21) Da stiegen jene aus der Zisterne, eilten weiter und meldeten König Dawid: „Setzt schnell über den Fluß! denn das und das hat Ahitofel Absalom geraten.“ (22) Da brachen Dawid und alle die bei ihm waren auf und überschritten den Jordan. Bei Tagesanbruch waren sie alle bis auf den letzten Mann hinüber.

(23) Als Ahitofel sah daß sein Rat nicht befolgt wurde, sattelte er seinen Esel, ritt heim in seine Stadt, bestellte sein Haus und erhängte sich.[8]

(24) Dawid hatte schon Mahanaim erreicht, als Absalom mit den Israeliten den Jordan überschritt. (25) Absalom hatte Amasa an Joabs Stelle zum Oberbefehlshaber des Heeres gemacht. (26) Jetzt lagerte er mit den Israeliten im Lande Gilead.

Erklärungen

[1] Vgl. 1. Könige XI 7!

[2] Vgl. IX1-13!

[3] Diese Behauptung bezeichnet Meribaal XIX 28 als Verleumdung. Aber vielleicht wollte er abwarten, ob nicht die kriegerische Auseinandersetzung zwischen Dawid und Absalom ihm eine günstige Gelegenheit beschwere würde, das Königtum seines Großvaters wiederzugewinnen, etwa mit Hilfe seines Verwandten Simei (5-8 XIX 17-24).

[4] Vgl. XXI 14 Ende! Simei mag Dawid auch als Urheber der Ermordung Abners (III) und Esbaals (IV) angesehen haben.

[5] Oberst der 30 Helden Dawids, Joabs Bruder, Dawids Neffe als Sohn von Dawids Schwester Zeruja.

[6] So wie in XII 13 zeigt Dawid auch hier, daß er „von der Macht nicht das Gewissen trennt“.

[7] Eigentlich: „stinkend“.

[8] Wohl weil er erkannte, daß nun Absaloms Sache verloren sei.