Jakobs Flucht von Laban

Jakobs Flucht von Laban (JE)

(1. Mose XXXI 2) Eines Tages (4) ließ Jakob Rahel und Lea aufs Feld zu seiner Herde kommen (5 a) und sagte zu ihnen: „Ich sehe an eures Vaters Gesicht, daß er gegen mich nicht mehr gesinnt ist wie früher. (6) Ihr wißt selbst, daß ich ihm mit all meiner Kraft gedient habe; (7) aber er hat mich betrogen und schon zehnmal meinen Lohn geändert. (5 b) Doch der Gott meiner Väter (7 b) hat ihm nicht gestattet, mir Schaden zu tun. (11) Nun hat Gott im Traum zu mir gesprochen: (13) „Ich bin der Gott von Betel, wo du den Malstein gesalbt und mir ein Gelübde getan hast. Mach dich jetzt auf, verlaß dies Land und kehr in deine Heimat zurück!“ (14) Rahel und Lea erwiderten: „Wir haben doch kein Teil und Erbe mehr in unseres Vaters Hause. (15) Hat er uns doch gehalten wie Fremde; denn er hat uns verkauft und den Kaufpreis, den er für uns bekommen, verzehrt.[1] (16) Ja, all der Reichtum, den Gott unserem Vater genommen, uns gehört er und unseren Kindern. So tu nur alles, was dir Gott gesagt hat!“

(17) Da machte sich Jakob auf, setzte seine Kinder und Frauen auf die Kamele (18) und trieb all sein Vieh mit sich fort. (19) Rahel aber hatte den Hausgott[2] ihres Vaters gestohlen. (22) Erst am dritten Tage erfuhr Laban, daß Jakob entflohen sei. (23) Da nahm er seine Verwandten und jagte ihm nach sieben Tage lang, bis er ihn einholte auf dem Gebirge Gilead. (26) Nun rief er Jakob zu. „Warum hast du mich überlistet und meine Töchter fortgeführt, als wären sie Kriegsgefangene? (29) Ich hätte wohl Macht, dir Übles zu tun; aber der Gott deines Vaters hat heut nacht zu mir gesprochen: Hüte dich, mit Jakob anders zu verfahren als freundlich! (30) Nun gut! du bist fortgegangen, weil du dich sehntest nach deines Vaters Hause; aber warum hast du mir meinen Gott gestohlen?“ (31) Jakob antwortete: (32) „Bei wem du deinen Gott findest, der soll sterben! Vor unseren Leuten suche, ob ich ihn bei mir habe, und nimm ihn zurück!“ Er wußte aber nicht, daß Rahel ihn gestohlen hatte. (33) Da ging Laban in Jakobs Zelt und in Leas Zelt, fand ihn aber nicht; und aus Leas Zelt in Rahels Zelt. (34) Rahel aber hatte den Hausgott in die Kamelsänfte gelegt und sich darauf gesetzt. So durchstöberte Laban das ganze Zelt, fand ihn aber nicht. (35) Und Rahel sagte zu ihm: „Herr, sei nicht böse, daß ich nicht vor dir aufstehen kann! Es geht mir nach der Frauen Weise.“ (36) Jetzt fing Jakob an, Laban zu schelten: „Was habe ich nun verbrochen und was verschuldet, daß du mir nachjagst? (37) All meine Sachen hast du durchstöbert; was hast du nun gefunden von dem, was dir gehört? Leg es hierher vor meine und deine Leute! sie sollen sagen, wer von uns beiden im Recht ist. (38) Zwanzig Jahre bin ich bei dir gewesen. Deine Schafe und Ziegen haben nicht fehl geworfen, und die Widder deiner Herden habe ich nicht verzehrt. (39) Was von wilden Tieren zerrissen war, durfte ich dir nicht bringen; ich mußte es ersetzen,[3] von meiner Hand fordertest du es, es mochte bei Tage oder bei Nacht geraubt sein. (40) Am Tage verging ich vor Hitze, bei Nacht vor Kälte, und der Schlaf floh meine Augen. (42) Und doch hättest du mich mit leeren Händen ziehen lassen, wenn nicht der Gott meines Vaters, der Schrecken Isaaks, für mich eingetreten wäre.“

(43) Laban erwiderte: „Mein sind die Töchter, mein die Kinder, mein das Vieh und alles, was du siehst. (44) Aber komm, laß uns einen Vertrag miteinander schließen und einen Steinhaufen machen, der Zeuge sei zwischen mir und dir!“ (46) Und er befahl seinen Leuten: „Lest Steine auf!“ Da lasen sie Steine auf und machten einen Haufen davon. (48) Und Laban nannte den Steinhaufen Gal-ed[4] (51) und sprach zu Jakob: „Dieser Steinhaufe, den ich aufgeworfen habe zwischen mir und dir, (52) sei Zeuge: ich darf über ihn nicht zu dir und du nicht zu mir in böser Absicht. (53) Der Gott Abrahams und der Gott Nahors seien Richter zwischen uns!“ Und sie beschworen den Vertrag (54) und hielten ein Opfermahl. (XXXII 1) Am nächsten Morgen kehrte Laban nach Haran zurück.

Erklärungen

[1] Ein anständiger Vater hätte den vom Bräutigam gezahlten Kaufpreis seinen Töchtern wenigstens teilweise mit in die Ehe gegeben.

[2] Hebräisch Terafim; nach 1. Samuel XIX 13ff. etwa in Größe und Gestalt eines Menschen oder seiner Brüste.

[3] Vgl. dagegen die Bestimmung des Bundesbuches in 2. Mose XXII 12!

[4] Anspielung auf Gilead, das israelische Ostjordanland, um dessen Besitz Israel im 9. und 8. Jh. blutige Kriege mit Aram zu führen hatte.