Dienstag, 31.3.

6:45 Uhr. Langsam erhellt sich der Himmel. Er ist anthrazit mit vereinzelten weißen Wolkentupfen. Sonnenaufgang 6:57. Von meinem Tisch aus sehe ich den Himmel über den Dächern der Maxvorstadt. Stille Tage im Shutdown. Als ich letzte Nacht auf das Haus gegenüber schaute, war es hell erleuchtet. Alle zuhause. In diesem Haus leben Paare und Familien, keine Singles. Vereinzelung bleibt ihnen erspart. Ich fühlte mich für einen Moment nicht mehr einsam, sondern als Teil der Weltgemeinschaft.

Mein Leben lang war Angst mein Thema. Jetzt ist sie existenziell und betrifft alle. Eine riesige schwarze Angstwelle drückt uns nieder. Überall wird ein unglaubliches Paniklevel geschoben. Ist kollektive Angst weniger schwer auszuhalten als individuelle?

Aus Eva Strasser: Splitter aus der Quarantäne. Ein Corona-Tagebuch. Sonderausgabe literaturkritik.de. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg 2020