Kunstvolle Prosa

Von Volker HageRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Hage

Ihr ist nichts vorzuwerfen. Sie hat nie ein Amt bekleidet, sie hat sich nie danach gedrängt, in einem Verband den Vorsitz zu führen, sie hat sich nicht einmal um die Rolle beworben, die Grand Lady der Literatur zu werden. Sie ist berühmt geworden, weltberühmt. Durch öffentlich Auftritte? Durch politische Parolen? Durch üble Nachrede? Nein, nur durch eines: durch ihre Arbeit, durch die Literatur.

Christa Wolf wurde zur wichtigsten Schriftstellerin der DDR und so – nolens volens – zu einer moralischen Instanz. Wo sie las, waren die Säle voll, wenn sie auf Fragen antwortete, lauschte das Publikum begierig, wenn die Menschen nicht weiterwußten, schrieben sie ihr Briefe. Sie hatte keine Antworten zu bieten. Aber sie ließ Fragen zu. Und sie selbst öffnete sich immer mehr dem Fragen, auch und gerade in ihrer Literatur. Die „richtigen Fragen“, heißt es in dem neuen (alten) Prosatext „Was bleibt“, erkenne man daran, „daß sie einem außer Schmerz auch eine gewisse Befriedigung bereiteten“.

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Aus Thomas Anz (Hg.): „Es geht nicht um Christa Wolf“. Der Literaturstreit im vereinten Deutschland. Marburg 2019 (siehe Verlagsseite)