Vorbemerkungen des Herausgebers

Die erste Rezension, die Marcel Reich-Ranicki über ein Buch von Günter Kunert veröffentlichte, war so kritisch, dass er sie 1970 in seine Sammlung Lauter Verrisse aufnahm. Als 1985 Lauter Lobreden von Reich-Ranicki erschienen und dabei auch Kunert gepriesen wurde, war das allerdings keine Überraschung. Denn in hohen Tönen gelobt hat der Kritiker den Dichter schon viel früher. Bereits zehn Monate nach dem „Verriss“ seines Romans Im Namen der Hüte in der Zeit vom 1. Dezember 1967 erschien in der gleichen Zeitung Reich-Ranickis Rezension zu Kunerts Erzählungen Die Beerdigung findet in aller Stille statt. Schon der erste Satz kündigte an: „Nein, heute wird nicht genörgelt, sondern endlich einmal kräftig in die Harfe gegriffen“.

Kritisiert hat er danach keine Bücher mehr von ihm. Sie wurden Freunde. Nachdem Reich-Ranicki Ende 1973 Leiter der Literaturredaktion in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geworden war, bat er etliche namhafte und von ihm geschätzte Autoren um Mitarbeit, so auch den von ihm besonders als Lyriker bewunderten Günter Kunert. Vor allem an der von Reich-Ranicki im Juni 1974 unter dem Motto „Der Dichtung eine Gasse“ begründeten Reihe der Frankfurter Anthologie, in der jeden Samstag ein deutsches Gedicht und eine kurze Interpretation dazu erschien, war Günter Kunert von Beginn an maßgeblich beteiligt. Bis zu Reich-Ranickis Tod im September 2013 erschienen in der Reihe etwa 40 Interpretationen von ihm – und 16 Interpretationen anderer über Gedichte von ihm selbst.

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