Briefe im "Negligee-Gewand"

Heinrich Heines Leben in Briefen

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Heinrich Heine hat seine Briefe nicht wie Goethe, Schiller und manch anderer mit halbem Blick auf die Nachwelt verfasst. Auch epistolarische Kunstwerke wie die Romantiker, die bei ihren Herzensergießungen oft schon gleich an das Buch dachten, in dem sie diese anschließend veröffentlichen wollten, hatte er dabei nicht im Sinn. Um so deutlicher kann man aus Heines Briefen seine jeweiligen Gemütsstimmungen ablesen. Ihm sei, so bekannte er selbst, "der Brief im Negligee-'Gewand' tausendmahl lieber als der Galla-Briefe."

Bei mir ist "immer der Brief, den ich schreibe ein Thermometer, woraus man meine Gemüthsstimmung erkennen kann", lässt Heine am 7. März 1824 Rudolf Christiani wissen.

Gleichwohl tragen seine Briefe den Stempel einer Zeit revolutionärer Kämpfe und Veränderungen sowie eines bewegten Lebens. Zudem sind sie Zeugnisse eines ebenso umstrittenen wie streitbaren Autors. Während der Dichter in seinen Werken oft als brillanter Spötter und Satiriker auftritt, werden in seinen Briefen auch die Verletzungen sichtbar, die er in diesen Zeitkämpfen davongetragen hat: die Nöte des Exils, die Schwierigkeiten mit der Zensur, die Auseinandersetzungen mit literarischen und politischen Weggefährten. Dennoch verraten auch die Briefe des "amüsantesten deutschen Klassikers" viel Wortwitz.

Zahlreiche Briefe Heines vermitteln durch ihre unterschiedlichen Schreibweisen einen guten Eindruck von ihren einzelnen Adressaten, deren Antworten hier leider nicht mit abgedruckt sind. In seinen Episteln an Familie und Freunde offenbart Heine häufig ganz andere Seiten von sich als in seinen literarischen Texten. In seinen Schreiben an Moses Moser äußert er sich ausführlich wie nirgendwo sonst über das Judentum. Am 18. Juni 1823 beklagt er sich allerdings auch über sein momentanes Unwohlsein: "Es ist sehr unartig von unserem Herr Gott, dass er mich jetzt mit diesen Schmerzen plagt, ja, es ist sogar unpolitisch von dem alten Herrn, da er weiß, dass ich so viel für ihn thun möchte."

An Karl Leberecht Immermann wiederum berichtet er in erster Linie aus seiner "Werkstatt", an den Liederdichter Wilhelm Müller schreibt er über das Volkslied. In den Briefen an seine Freunde und Förderer Rahel und Karl August Varnhagen, bei denen er immer wieder Förderung und Zuspruch findet, spricht er über seine Werke. Andere bekannte Briefpartner sind Jules Michelet, Hermann von Pückler-Muskau, Victor Hugo, Franz Liszt, Frédéric Chopin und George Sand.

An Karl Gutzkow richtet er aus der Normandie am 23. August 1838 folgende Zeilen: "Mein Wahlspruch bleibt: Kunst ist der Zweck der Kunst, wie Liebe der Zweck der Liebe, und gar das Leben selbst der Zweck des Lebens ist."

Annähernd 1.800 Briefe wurden von Heinrich Heine an über vierhundert verschiedene Empfänger überliefert. Die hier abgedruckten 199 Briefe gewähren einen anschaulichen Einblick in Heines Leben, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Band nach den Lebensstationen Heines gegliedert ist und die Einleitungen zu den einzelnen Kapiteln einen kurzen Überblick über die betreffende Lebensphase und die Themen und Werke geben, die in den Briefen aus dieser Zeit im Vordergrund stehen.

Das erste Kapitel "Zwischen Rhein und Elbe" 1797-1819 umfasst Heines Jugend in Düsseldorf und die Zeit seiner kaufmännischen Ausbildung in Hamburg, das nächste die Phase in Bonn und Göttingen. Es folgen die Fortsetzung des Studiums in Berlin, die Wanderjahre und die Zeit in Paris. Das umfangreiche Personenverzeichnis im Anhang enthüllt ferner ein buntes Geflecht von Beziehungen, die Heines Leben mitgeprägt haben.

Doch schauen wir uns den Inhalt der Briefe einmal genauer an. In einigen kommt Heine auf seine Eltern zu sprechen und legt dar, dass sein Vater für die Träume und seine Mutter für die Wirklichkeit zuständig gewesen sei.

Aber selbst in seinen Briefen hält sich "der ungezogene Liebling der Grazien", wie man ihn auch nannte, mit seinem Spott nicht zurück. Hamburg nennt er ein "verludertes Kaufmannsnest [...] Huren genug, aber keine Musen" und eine Briefdatierung lautet: "verfluchtes Nest-Göttingen".

Während in den ersten Pariser Jahren Heines Sinnen und Trachten ganz auf das Diesseits ausgerichtet war, beginnt 1848 seine Leidenszeit in der "Matratzengruft", in der er seine dichterische Kraft seiner schweren Krankheit und dem nahenden Tod entgegengestellt hat.

"Werde ich besser werden? Das weiß Gott, der alles zum Besten lenkt", heißt es am 12. Juni 1848 in einem Brief an seine Schwester Charlotte Embden.

Am 25. Januar 1850 gesteht er seinem Freund Heinrich Laube, dass in seinen religiösen Ansichten und Gedanken "eine FebruarRevoluzion eingetreten ist", und weiter unten: "Ich habe den Hegelschen Gott oder vielmehr die Hegelsche Gottlosigkeit aufgegeben und an dessen Stelle das Dogma von einem wirklichen, persönlichen Gott, der außerhalb der Natur und des Menschen Gemüthes ist, wieder hervorgezogen." Zum Schluss spricht er von einem "Wiederaufflackern meines religiösen Gefühls."

Leopold Wertheim gibt er am 15. März 1850 zu verstehen: "Die Hand Gottes liegt schwer auf mir; doch - sein heiliger Wille geschehe."

Am 1. Juni 1850 versichert er seinem Verleger Julius Campe: "Ich bin kein Frömmler geworden, aber ich will darum doch nicht mit dem lieben Gott spielen, wie gegen die Menschen will ich auch gegen Gott ehrlich verfahren."

In einem anderen an Laube adressierten Brief vom 12. Oktober 1850 nennt er Gott einen "Thierquäler". Er schreibt: "...und wenn ich auch an einen Gott glaube, so glaube ich doch manchmal nicht an einen guten Gott. Die Hand dieses großen Thierquälers liegt schwer auf mir." In einem Schreiben an Campe wiederum stellt er im Januar 1852 fest: "In demselben Maße wie die Revolution Rückschritte macht, macht meine Krankheit die ernstlichsten Fortschritte."

Der letzte Brief, datiert mit "Paris, Februar 1856", ist an Alexander von Humboldt gerichtet: "Dem großen Alexander sendet seinen letzten Gruß der sterbende H. Heine."

Was aber bleibt, das sind nicht nur Heinrich Heines beeindruckenden Briefe, sondern auch das imposante Werk, das der Dichter seiner tückischen Krankheit abgerungen hat.


Titelbild

Heinrich Heine: "... und grüßen Sie mir die Welt". Ein Leben in Briefen.
Herausgegeben von Bernd Füllner und Christian Liedtke.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005.
559 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-10: 3455095127

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