Leserbriefe zur Rezension
Formeln des Entsetzens
Über einige rhetorische Phänomene in den publizistischen Stellungnahmen zum Nahostkonflikt
Von Walter Delabar
Franz Horvath schrieb uns am 07.02.2025 Sehr geehrter Herr Delabar, mit Erstaunen, mit Kopfschütteln, mit zunehmendem Entsetzen habe ich Ihren Text gelesen. So sehr ich Ihre Bemühungen, den aktuellen Diskurs über den jetzigen Krieg zu analysieren, zu schätzen versuche, muss ich gestehen, dass mir das nicht gelingt. Denn was zurückbleibt, ist der Eindruck, hier werden ein brutaler Massenmord und seine Akteure verharmlost. (Ich höre Sie bereits fragen: "Ist 'brutaler Massenmord' nicht bereits ein unzulässiges rhetorisches Mittel, um die Leser zu manipulieren?") Dass Sie rhetorische Mittel, Ausdrücke, Begrifflichkeiten und Zuordnungen hinterfragen, ist die eine Seite/Sache. Sie wäre noch nachvollziehbar, wenngleich Sie selbst zugeben, wie einseitig Ihre Auswahl ist. Ich frage mich aber: "[...] kann man zur Hamas stehen, wie man will"? Kann man das tatsächlich? Zu einer Organisation, die von etlichen Staaten als Terrororganisation bezeichnet wird und einen Massenmord verübt hat, den ich anders als brutal nicht anders bezeichnen kann? Würden Sie auch im Falle anderer antisemitischer (faschistischen, nationalistischen) Organisationen, die in Deutschland oder z.B. in Osteuropa in der Zwischenkriegszeit (Rumänien: Eiserne Garde) Pogrome verübt haben, behaupten: "Nun kann man zur Eisernen Garde/NSDAP... stehen, wie man will."? Massenmord ist Massenmord und in meinen Augen kann man zu den Urhebern, Akteuren und Mördern von solchen Organisationen nicht "[...] stehen, wie man will." Zumindest nicht, so lange ein Funken Moral und Anstand in einem Menschen noch steckt. Sie verlangen in ihrem Text zudem mehrfach "eine angemessene Analyse der strategischen Entscheidungen, die zu dem Angriff vom Oktober 2023 geführt haben". Ich bitte Sie: Was möchten Sie andeuten? Doch nicht etwa, dass die Tat vom 7. Oktober einer rationalen Kausalität, einer nüchternen Logik von Analyse und Interpretation unterlag und somit ihre Legitimität und Berechtigung, somit ihre Wahrheit besaß? Dass dieser Massenmord somit als legitim und somit "in Ordnung" angesehen werden kann? Kann das Töten von so vielen unschuldigen Personen, von Babys, von Arabern und Asiaten, die gar nichts mit dem Konflikt zu tun haben, tatsächlich als nachvollziehbares Ergebnis von "strategischen Entscheidungen" angesehen werden? Der Subtext, die Subtexte ihrer Zeilen empfinde ich als so monströs, dass sie mich erschaudern lassen. Ich hoffe, meinem Entsetzen mit diesen wenigen Zeilen bereits ausreichend Ausdruck verschafft zu haben. Mit traurigen Grüßen Franz Sz. Horváth |
Karl-Josef Müller schrieb uns am 17.02.2025 "Was jedoch viele überraschte - Israelis und auswärtige Beobachter -, war die Barbarei der Attacke. Das Foltern und Abschlachten wehrloser Zivilisten, vom Kleinkind bis zur Großmutter, all das noch zelebrierend gefilmt. Mit dieser Tat hat die Hamas sich von jedem zivilisatorischem Maßstab entfernt und einen neuen Abgrund im Konflikt geöffnet." |
Uwe Schütte schrieb uns am 21.02.2025 Gratulation zu diesem klugen, scharfsinnigen und in jeder Hinsicht intellektuell bestechenden Essay. Dies wollte ich Ihnen eigentlich persönlich schreiben, aber da auch hier leider die Unsitte praktiziert wird, dass Hinz und Kunz ihren Senf abgeben können, lieber so. |
Günter Helmes schrieb uns am 21.02.2025 als Antwort auf einen Leserbrief Lieber Herr Schütte, |
Karl-Josef Müller schrieb uns am 22.02.2025 Nun weiß ich ja nicht, ob ich Hinz oder Kunz bin, was aber auffällt ist eine Sprache, die wir leider zurzeit landauf landab und jenseits des Atlantiks hören müssen. Argumente konnte der Senfschreiber nicht erkennen, wohl aber sind ihm die Bilder der Hamas im Kopf, die ihre Opfer über den Tod hinaus zu demütigen trachtet. Wie man dies anders benennen soll als Terrorismus und Massaker, bleibt mir ein Rätsel. Die Selbstgewissheit der beiden Briefeschreiber kann ich nur bewundern. |