Christian Kohlross schrieb uns am 15.05.2024
Thema: Jan Süselbeck: Der dröhnende Klang der Abrissbirne
Totgesagte leben länger – Eine Replik auf Jan Süselbeck
Die Germanistik, also die Wissenschaft von der deutschen Sprache und Literatur ist ein eigentlich unmögliches Unterfangen. Davon künden hierzulande nicht erst sinkende Studierendenzahlen und im Ausland die grassierende Abwicklung teils etablierter German Departments, nein, davon kündet auch ein Genre, das so nur die Germanistik kennt, nennen wir es die Germanistische Dystopie. Exemplare dieser Gattung sind von Germanisten und Germanistinnen verfasste Texte, Reden, Essays, in denen sie sich fortwährend der Unmöglichkeit des eigenen Tuns bezichtigen. Ins Leben gerufen – erfunden wurde dieses wissenschaftliche Genre im 19. Jahrhundert, als – Stichwort: Nibelungenstreit – die Auseinandersetzung um eine historisierend esoterische oder eine zeitgemäß-exoterische philologische Praxis die gerade erst im Entstehen begriffene Wissenschaft in einen tiefen, schnell chronifizierten Zweifel am eigenen Tun stürzte. Zu diesem Genre, das gerade angelegentlich germanistischer Großveranstaltungen wie dem Deutschen Germanistinnentag oder der jährlichen Konferenz der German Studies Association in den USA sich wiederkehrender Beliebtheit erfreut, hat nun auch der in Trondheim lehrende Germanist Jan Süselbeck mit gebotener Verve auf literaturkritik.de einen höchst lesenswerten Beitrag geleistet – unter dem dysphemistischen und hierin dem Ernst der Lage durchaus angemessenen Titel Der dröhnende Klang der Abrissbirne. Über die globale Krise der Germanistik und die Frage, was das Fach in Deutschland von den German Studies in Nordamerika lernen könnte. Süselbecks Diagnose: Nicht zu wenig, zu viel Germanistik sei das Problem, zumal im Ausland, wo nicht nur immer weniger Goethe und Celan, sondern überhaupt immer weniger auf Deutsch gelehrt oder auch nur Deutsch gelesen werde – und wenn, dann auch eher immer weniger Goethe oder Celan. Der Abrissbirne, soll heißen der Entlassung der Lehrenden, dem Schließen von Departments, dem zunehmenden Desinteresse der Studentinnen entgegenzuwirken, so Süselbecks Fazit, lasse sich nicht mit einer esoterischen – sagen wir: auf Goethe und Celan setzenden Germanistik, wie sie in Deutschland immer noch praktiziert werde, sondern nur mit einer konsequent exoterischen, kulturwissenschaftlich interdisziplinär ausgerichteten Germanistik, deren Diskurse anschließbar seien an die Race-Class-Gender-Perspektiven anderer Disziplinen, die, wo es darauf ankommt, bereitwillig fröhliche Hochzeiten mit den Jewish Studies feiert, wenn sie sich nicht gar die Freiheit nimmt und kurzerhand zu den Black German Studies mutiert, um so den exoterischen, nicht selten exzentrischen Interessen einer Studentenschaft Rechnung zu tragen, die (wie die Wissenschaftsmanager in Politik und Hochschule) mit den heiligen Texten der traditionellen Germanistik immer weniger anzufangen weiß.
“Die Germanistik ist tot”, so Süselbecks Fazit: “Es lebe die Vielfalt der German Studies.”
Lesenswert und anregend ist Süselbecks Beitrag nun natürlich nicht, weil er zustimmungspflichtig wäre, sondern weil er zum Widerspruch provoziert. Leider! Denn wenn Süselbeck Recht hätte und die Vielfalt der amerikanischen German Studies auch der deutschen Inlandsgermanistik zum Vorbild gereichen würde, dann gäbe es zuletzt so etwas wie einen Ausweg aus der nicht enden wollenden Krise der Germanistik. Die Gattung der germanistischen Dystopie hätte sich endlich überlebt. – Und wie schön wäre das?
Indes, der Umstand, dass auch in den USA die sich zu Geschichtswissenschaften, Soziologie, Politik-, Film- und Medienwissenschaften sowie den Gender Studies öffnenden German Studies vor der in den Humanities wütenden Abrissbirne keineswegs geschützt sind, obwohl gerade in den USA die Öffnung des Faches, die Transformation der Germanistik zur Kulturwissenschaft bereits vor zwanzig Jahren ihren Anfang nahm, lässt, die zahlreichen von Süselbeck selbst namhaften gemachten Institutsschließungen in den USA, Kanada und Großbritannien sprechen da ihre ganz eigene Sprache, nichts Gutes hoffen. Und die Gründe dafür liegen auf der Hand:
(1.) Die Wissenschaft von der deutschen Literatur – und Sprache verdankte lange Zeit einen Gutteil ihrer akademischen Daseinsberechtigung dem Umstand, dass das Deutsche, und sei es auch nur dem eigenen Anspruch nach, neben dem Englischen, Französischen und Spanischen eine Welt-, und wo in den letzten Jahrzehnten schon keine Welt-, so doch noch eine bedeutende Wissenschaftssprache war. Dies aber hat sich, seitdem das Englische alle ehedem an das Esperanto geknüpften Hoffnungen erfüllt und sich als Lingua Franca etabliert hat, grundlegend geändert. In der globalisierten Welt muss einer nicht mehr viele Sprachen beherrschen, es genügt das Englische zu beherrschen, um sich über geographische, kulturelle wie auch wissenschaftlich- disziplinäre Grenzen hinweg verständigen zu können. Wie auf allen anderen Philologien – mit Ausnahme von Anglistik und Amerikanistik – lastet auch auf der Germanistik der Umstand, dass ihr Gegenstand eine Sprache ist, die im Zeitalter der Globalisierung zu beherrschen für Hochschul- abgängerinnenen ein immer entbehrlicherer Wettbewerbsvorteil ist.
(2.) Bislang aber half der Wissenschaft von der deutschen Sprache und Literatur dabei noch der, sagen wir: zivilreligiöse Glaube an die Literatur, der auch, wenn er den Ungläubigen immer schon als eine Kunstreligion erschien, der sie mit Unverständnis begegneten, doch die Aura und Anziehungskraft des literarischen Kanons unberührt ließ, dem anders als mit Ehrfurcht zu begegnen sich auch die Ungläubigen nicht leisten konnten .
Genau das aber hat sich geändert! Heute muss keiner, der Goethe nie gelesen hat und Celan nicht kennt, ernsthafte Einbußen des Sozialprestiges mehr befürchten, nicht einmal unter Germanistinnen. Und niemand, der German Studies im Ausland studiert hat, muss in der Lage sein, Kant, Marx oder Freud auf Deutsch zu lesen oder auch nur in seine Muttersprache übersetzen zu können. Wie das Latein Ovids oder das klassische Griechisch des Sophokles verwandelt sich auch das Deutsch Goethes oder Celans jenseits des akademischen Betriebs folgerichtig in eine tote Sprache, die nur den Wenigsten noch geläufig ist. Wie die Klassiker der antiken, so rücken auch die Klassiker der neueren deutschen Literatur allmählich in eine Ferne, die nur die Wenigsten zu überbrücken noch in der Lage oder auch nur willens sind. Diesen Unwillen mag man beklagen und einer nachwachsenden Generation als opportune Anpassungsleistung an einen pragmatisierten, durchökonomisierten und profanisierten Zeitgeist zur Last legen, indes, der Verdacht liegt nahe, dass die Jüngeren von der Vergangenheit nun nicht einmal mehr erwarten, was die Älteren in ihr nicht gefunden haben: ein auch heute noch belastbares Wissen, eine Weisheit, die den Wandel der Zeiten überdauert. Diesen Verdacht gegenüber dem historischen Bewusstsein, das sich einst im 19. Jahrhundert mit dem Versprechen Gehör und Geltung verschaffte, die Gegenwart mit Hilfe des Vergangenen zu verstehen, sei es den Millenials, der Generation Z oder den Universitätsmanagerinnen und Bildungspolitikern unserer Tage als Ignoranz und Opportunismus vorzuhalten ist, um das Mindeste zu sagen, selbstgerecht und unhistorisch. Man will nur nicht wahrhaben, dass das historische Bewusstsein selbst in die Jahre gekommen ist und einem grundstürzenden Wandel unterliegt. Begriffe wie kollektives Gedächtnis oder Erinnerungskultur sind eben schon nicht mehr die Leitbegriffe einer Zeit, der die Zukunft mehr zählt als die Vergangenheit und die nicht mehr Gegenwärtiges vorrangig an dem bemisst, was es einmal war, sondern an dem, was es seiner Möglichkeit nach in der Zukunft sein könnte. Aber nicht nur das Gegenwärtige, auch das in der Erinnerungskultur Erinnerte – das Vergangene wird heute nicht als Vergangenes, um seiner selbst willen, sondern als Vorbote eines Zukünftigen, wenn nicht gar als etwas, aus dem für die Zukunft Lehren zu ziehen seien, genommen. Der Verlust der Strahlkraft des literarischen Kanons, die Auflösung seiner Aura ist so nahezu unausweichlich – die Folge der Veränderung des historischen Bewusstseins, die eine zu weiten Teilen historische Wissenschaft, wie es die Germanistik ist, wie selbstverständlich in Mitleidenschaft ziehen muss.
Die Krise der Germanistik, heißt das, ist heute immer auch Symptom und Folge einer anderen Krise – der des historischen Bewusstseins. Dessen Aufgabe war es einmal, Gegegenwärtiges durch den Blick auf Vergangenes zu relativieren. Doch um Gegenwärtiges zu relativieren ist die historische Perspektive heute ebenso entbehrlich geworden wie der literarische Kanon; an deren Stelle halten nun Internet und soziale Medien eine schier endlose Vielheit von Perspektiven verfügbar und beschränken eben dadurch die Geltung einer jeden einzelnen von ihnen.
(3.) Das Gegenwärtige wie eben auch das Vergangene im Lichte eines zukünftig Möglichen zu sehen heißt dabei heute bekanntlich vor allem, es im Horizont von Machbarkeit und Nützlichkeit zu sehen. Und auch hier stößt das Interesse an einer Literatur, die gerade nicht nützlich, sondern, wo nicht “Sand ... im Getriebe der Welt” (G. Eich), so doch entschieden eigensinnig sein und ihren eigenen Sinn setzen und verfolgen möchte, schnell an seine Grenzen. Fragen wie >Was sagt Celan zum Klimawandel? < oder >Thematisiert Goethe im Faust nicht bereits Globalisierung und künstliche Intelligenz?< lassen sich zwar stellen, aber wesentlich Neues zu Klimawandel, Globalisierung und künstlicher Intelligenz sollte man sich dabei lieber nicht erwarten. Wie auch? Um solches Sachwissen war und ist es der Literatur kaum je zu tun. Erkenntnis – ohne Interesse aber war für das in Bildungs- und Forschungsstätten institutionalisierte historische Bewusstsein niemals eine wirkliche Option. Erkenntnis musste und sollte stets Sinn machen, das heißt Zwecken dienen, die sich über Funktionszusammenhänge legitimieren ließen. Ein Wissen, das dies nicht erlaubte, wurde schnell und ist heute längst obsolet. Das Vergangene um des Vergangenen willen zu studieren, das Zweckmäßige von Zwecken zu befreien, wem käme das heute noch in den Sinn? In einer Zeit der Krisen, der beständigen Bedrohung scheint das Sich-Versenken in ein Vergangenes wie ein Luxus, den sich niemand mehr zu leisten wagt.
Um diese Frage nach dem Nutzen der Beschäftigung mit deutscher Literatur und Sprache gerade nicht stellen zu müssen, kann man ihr, sekundiert vom allenfalls noch oberflächlichen Interesse einer breiten Mehrheit an esoterischer Höhenkammliteratur ausweichen und, wie das die German Studies in den USA tun, immer mehr Gegenstände mit teils nur noch vagem Bezug zu deutscher Literatur und Sprache zum Gegenstand von Forschung und Lehre machen. Dass dieses, nennen wir es: auslandsgermanistische oder amerikanische Modell der German Studies gerade kein Vorbild einer deutschen Inlandsgermanistik sein kann, hängt zuerst damit zusammen, dass es keines der genannten Probleme – Marginalisierung des Deutschen als Weltsprache, Relevanzverlust des Kanons als Symptom der Krise des historischen Bewusstseins sowie die Irrelevanz philologischen Wissens im Funktions- und Kommunikationszusammenhang kapitalistisch effizienzorientierter Gesellschaften – zu lösen vermag. Sodann aber taugt die Integration immer weiterer Disziplinen und Forschungsgegenstände der Inlandsgermanistik hierzulande auch deshalb nicht zum Vorbild, weil etwa deutsche Geschichte, Kunst, Philosophie und Sozialwissenschaften an deutschen Hochschulen schlicht unter andere, nicht-germanistische Zuständigkeiten fallen und z.B. von Historikern, Kunsthistorikerinnen, Philosophen oder Soziologinnen beforscht und unterrichtet werden. Es ist die institutionell bedingte Spezialisierung, die fachliche Zuständigkeit, die hier ein Unterschied ist, der einen Unterschied macht. Natürlich lassen sich gleichwohl auch an deutschen Hochschulen Forschungsgegenstände finden, die – wie im Falle von Antisemitismus, Kolonialisierung oder Genderfragestellungen – wie natürlich in den Zuständigkeitsbereich mehrerer Wissenschaften fallen – nur sind sie gerade deshalb auch keine Gegenstände, an denen die Germanistik ihr Profil schärfen könnte. Ihre philologische Perspektive bleibt im interdisziplinären Zusammenhang nur eine unter mehreren, prinzipiell gleichberechtigten Perspektiven und gerade keine ausgezeichnete.
(4.) Die Inlandsgermanistik hat aus all diesen Gründen hierzulande auch nicht an der Universität, sondern an der Schule ihren pragmatisch-institutionellen Halt. Der Beruf, den Germanistinnen typischerweise ergreifen und für den sie an den Universitäten ausgebildet werden, ist derjenige der Deutschlehrerin.
Doch unterliegt auch das Fach Deutsch an Schulen in Deutschland seit der ersten Pisastudie vor rund zwanzig Jahren einem grundlegenden Wandel. Nicht mehr die Vermittlung von Wissen über die klassischen Gegenstände der Germanistik: deutsche Literatur und Sprache stehen seither im Zentrum des Deutschunterrichts, sondern der handelnde, produktions- und projektorientierte Umgang – das Schreiben, Umschreiben und Inszenieren von Texten – kurz, die Vermittlung von Lese-, Schreib- und Redekompetenzen.
Pragmatisiert und legitimiert sich also die amerikanische Germanistik durch die Öffnung und Ausweitung ihres Gegenstandsbereichs, in der Hoffnung an andere Diskurse anschließbar zu sein, sucht die Inlandsgermanistik ihre Daseinsberechtigung in ihrer Didaktisierung – darin, dass sie zum Propädeutikum eines Deutschunterrichts wird, in dem das Wissen um Deutsche
(Höhenkamm-)Literatur und das Wissen um die deutsche Sprache und ihre Geschichte nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Man kann diese Entwicklung unterschiedlich bewerten, doch dabei kaum noch einer sich mit ihr aufdrängenden Frage ausweichen, nämlich der, ob wirklich Germanistik studiert haben muss, wer in der in Primar- oder Sekundarstufe Deutsch unterrichtet – und nicht ebenso gut, sagen wir: Vergleichende Literatur- oder Allgemeine Sprachwissenschaft, Medienwissenschaften, Publizistik, Theaterwissenschaften oder Altphilologie studiert haben könnte. Schließlich geht es ja nicht mehr, wie im Horizont der Nationalphilologie, um die Vermittlung eines spezifischen gemeinschaftsbildenden literaturhistorischen oder linguistischen Wissens, sondern um die Vermittlung von Lese-, Schreib- und Diskurskompetenzen an eine zunehmend multilinguale Schülerschaft, deren Muttersprache vielfach schon gar nicht mehr das Deutsche ist. Hier kündigt sich eine Entwicklung an, die die Natur- und Technikwissenschaften längst erreicht hat: Der traditionelle Schulfächerkanon spiegelt die disziplinäre Struktur des Wissenschaftssystems des 19. Jahrhunderts in Zuschnitt und Aufteilung seiner Fächer noch heute wieder; an deutschen Gymnasien des 21. Jahrhunderts wird unterrichtet, was sich an Universitäten des 19. Jahrhunderts als Disziplin etablieren konnte. Innerhalb des naturwissenschaftlich- technischen Fachbereichs hat man sich daher längst gefragt: Wie zeitgemäß ist das noch? – Und in der Konsequenz damit begonnen, mathematisch, naturwissenschaftliche und technische Lehrinhalte im Fachbereich MINT zusammenzufassen. Sobald auch der Deutschunterricht von dieser Entwicklung erfasst wird, wird Deutsch zusammen mit anderen philologischen, geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern zusammen unterrichtet werden – vielleicht unter dem Label: Humanities. Spätestens dann, so steht zu vermuten, wird das Fach Deutsch seine Sonderstellung auch an deutschen Schulen verlieren – und mit ihm auch die Inlandsgermanistik ihre besondere Daseinsberechtigung an Universitäten hierzulande.
Machen wir uns deshalb nichts vor: das Schicksal der Germanistik als Orchideenwissenschaft ist längst besiegelt. So sinnlos es ist, gegen das Schwinden der Anziehungskraft des literarischen Kanons oder die Marginalisierung des Deutschen aufzubegehren, so vergeblich ist es, dem historischen Augenblick, in dem die Germanistik Massenfach war, nachzutrauern. Sie wird in nicht allzu ferner Zukunft auch im Inland mit Orchideenfächern wie der Niederlandistik, Biophysik, Judaistik oder Ägyptologie konkurrieren. Doch muss das ein Nachteil sein? Nicht, wenn man endlich aufhört, die Relevanz eines Faches an der Zahl seiner Studierenden zu messen. – Aber woran sonst sollte man sie messen, die Relevanz eines Faches? Nun, ein Orchideenfach wie die Ägyptologie, das Werk des jüngst verstorbenen Ägyptologen Jan Assman mag auch der Germanistik zum Vorbild gereichen – nämlich dafür, was es heißt, mit einem Mal Stichwortgeber gesellschaftlicher Debatten zu sein und aus einer eher randständigen Wissenschaft heraus Leitbegriffe und Paradigmen (wie kollektives Gedächtnis, Erinnerungskultur, Mono- versus Polytheismus) zu entwickeln, die sich andere Fachgebiete zu eigen machen, um nunmehr ihre eigenen Forschung daran zu überprüfen. Wichtig dabei ist: Assmans Öffnung der Ägyptologie geschah nicht auf Kosten des ägyptologischen Kerngeschäfts. Seine Ausgrabungen in Theben, seine Arbeiten zur altägyptischen Hymnik, zu Zeit und Ewigkeit im alten Ägypten sind bis heute nicht massentauglich – aber sie bilden die Voraussetzung für die Breitenwirkung, die er mit seiner Arbeit entfalten konnte. Es ist gerade die Versenkung ins Besondere, die Verallgemeinerung erlaubt.
Und so bleibt am Ende, da wir gerade erleben, wie aus dem Massenfach Germanistik ein Orchideenfach wird, nicht weniger als der feste Glaube daran, dass – Totgesagte leben länger – auch der Germanistik gelingen kann, was bisweilen Orchideenfächern gelingt, nämlich die Erneuerung des Faches aus diesem selbst heraus und so in der Zukunft die wegweisenden germanistischen Arbeiten aus der Versenkung in die Geschichte der deutschen Literatur und Sprache hervorgehen werden – und also nicht die Germanistik am Ende ist, sondern nur das Genre, das ihr Ende immerzu herbeiredet.
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