Leserbriefe zur Rezension

Wer sich ungern an Fakten erinnern lassen möchte, will sie lieber selbst neu erfinden

Eine Replik zu dem Beitrag von Sabine Koloch über „Germanistik, Politik und das generationsübergreifende Projekt ‚Vergangenheitsbewältigung‘. Peter Schütts Diskussionsbeitrag für ‚Die Welt‘ 1966“

Von Bernd Dammann


Prof. Dr. Klaus Müller-Salget schrieb uns am 24.04.2020
Thema: Bernd Dammann: Wer sich ungern an Fakten erinnern lassen möchte, will sie lieber selbst neu erfinden

Bernd Dammann teilt mit, die Kampagne gegen den Bonner Altgermanisten Hugo Moser (1964)sei letztlich 'im Sande verlaufen'. Es wäre schön gewesen, wenn er auch mitgeteilt hätte, warum das so war: Weil nämlich Walter Boehlichs Vorwürfe und Unterstellungen sich allesamt als null und nichtig erwiesen haben. Als das auch der Redaktion der "Zeit" (unter Boehlichs Freund Rudolf Walter Leonhardt) klar wurde, hat man sich nicht etwa zu einer Gegendarstellung und einer Entschuldigung aufgerafft, sondern den Fokus verschoben, indem man nun über die Aberkennung der Ehrendoktorwürde Thomas Manns von Seiten der Universität Bonn im Jahre 1936 berichtete. Wenig beschlagene Kollegen in den USA wollten nun auch das noch Hugo Moser in die Schuhe schieben (der damals Gymnasiallehrer in Stuttgart war) und "Die Zeit" ist sich wahrhaftig nicht zu schade gewesen, auch diesen Unsinn als Leserbrief zu veröffentlichen: Ein Beispiel für miserablen Journalismus.
Dass Dammann in seiner Darstellung der Studentenrevolte von 1968 (literaturkritik.de vom Juli 2018) Hugo Moser als "NS-belasteten Germanistik-Professor" aufführt, zeugt von gedankenloser Nachplapperei einer vor mehr als einem halben Jahrhundert widerlegten Denunziation.


Dr. Bernd Dammann schrieb uns am 25.04.2020 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Bernd Dammann: Wer sich ungern an Fakten erinnern lassen möchte, will sie lieber selbst neu erfinden

Prof. Dr. Klaus Müller-Salget hält mir in der Frage nach der NS-Belastung des Bonner Altgermanisten Prof. Dr. Hugo Moser (1909-1989) „gedankenlose Nachplapperei“ vor. Ich verweise deswegen auf den bald 20 Jahre alten und inzwischen als allgemein bekannt vorauszusetzenden  biographischen Forschungsstand:
In Band 2 des ‚Internationalen Germanistenlexikons‘ (IGL, Berlin 2003) wird im Eintrag zu Hugo Moser unter ‚Lebensumstände‘ festgehalten:
1. „Juli 1933 Eintritt in den Stahlhelm“
2. seit „Februar 1934 Mitglied der SA“
3. seit „Mai 1934 Mitglied im NS-Lehrerbund (NSLB)“. (S. 1263).
Prof. Müller-Salget hält diesen vor allem der beruflichen Karriere dienlichen politischen Opportunismus gegenüber dem NS-System, den Hugo Moser bis zum bitteren Ende 1945 stramm durchgehalten hat, offenbar für eine lässliche Jugendsünde.


Klaus Müller-Salget schrieb uns am 25.04.2020 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Bernd Dammann: Wer sich ungern an Fakten erinnern lassen möchte, will sie lieber selbst neu erfinden

Ich muss gestehen, dass die von Herrn Dammann mitgeteilten Fakten mir nicht bekannt waren. Ich habe mich an das gehalten, was bei der seinerzeitigen Kampagne herausgekommen ist. Moser hat damals übrigens öffentlich und umfassend Stellung genommen (was man freilich nur im "Bonner Generalanzeiger" nachlesen konnte und in der "Zeit" totgeschwiegen wurde).
Im Netz habe ich nun einen Spruchkammerbescheid vom 11.3.1948 gefunden, demzufolge Mosers "Karriere" etwas anders verlaufen ist, als es den Daten nach scheint (muss nicht unbedingt stimmen), er aber jedenfalls wegen seiner Arbeiten über die Sathmarer Schwaben von NS-Seite heftig angegriffen worden ist und ihm diese Tätigkeit schließlich unmöglich gemacht wurde (Ausschluss aus dem Verein für das Deutschtum im Ausland). -
Die Relativität solcher Spruchkammer-Bescheide ist mir bewusst. Es geht mir aber darum, ob Moser als Wissenschaftler eine NS-Vergangenheit gehabt hat (so wie z. B. Fritz Martini oder Wolfgang Kayser)und das war offenbar nicht der Fall, - weswegen ja die Kampagne eben 'im Sande verlaufen' ist.