Viel Streit um Nichts?

Folge 21 „Urlaubschaos“ der Kinder- und Jugendhörspielreihe „Kira Kolumna“ hätte etwas mehr auf die Ferien einstimmen können, ist aber trotzdem eine Audio-Reise wert

Von Elena HochRSS-Newsfeed neuer Artikel von Elena Hoch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Urlaub mit den Eltern? Das hatten sich Kira, Lars und Nele definitiv anders vorgestellt. Eigentlich wollten die drei Freund:innen in den Sommerferien allein am idyllischen Wundersee zelten – ein entspannter Trip unter Jugendlichen. Doch kurz vor der Abreise stellt sich heraus: Ohne Volljährigkeit kein Zeltplatz. Spontan bieten Kiras Vater Johannes und Lars’ Mutter Laura an, als Begleitpersonen mitzufahren. Was zunächst wie ein guter Kompromiss klingt, entpuppt sich schnell als nervenzehrendes Erlebnis – auch für die Hörer:innen des Hörspiels Urlaubschaos.

Klappentext und Coverbild der 21. Folge der Kinder- und Jugendhörspielreihe Kira Kolumna versprechen ein sommerlich-leichtes Abenteuer: Eis essen, zelten, Kanu fahren. Da kommt Urlaubsstimmung auf! Also auf den ersten Blick die perfekte Empfehlung für eine sommerliche Hörspielreise.

Was jedoch als Wohlfühlfolge beginnt, kippt aufgrund des unangenehmes Dauergezankes der Figuren schon bald ins Gegenteil. Die Urlaubsstimmung verflüchtigt sich beim Hören der Folge entsprechend schnell. Statt Erholung und Ferienstimmung dominieren Streit, Missverständnisse und angespannte Familienmomente die Handlung. 

Der Hauptgrund für die schlechte Stimmung in Urlaubschaos sind Laura und Johannes. Kaum am Campingplatz angekommen, verhalten sie sich auffällig tollpatschig, peinlich und ungewohnt engstirnig. Warum die beiden plötzlich so unangenehm – und vor allem so untypisch – auftreten, bleibt für treue Hörer:innen der seit 2021 von Kiddinx produzierten Hörspielreihe genauso rätselhaft wie für Kira. Im ersten Drittel der 61 Minuten langen Folge hat Johannes – sonst sozial gelegentlich etwas unbeholfen, aber keineswegs ungeschickt – gleich drei kleinere ‚Unfälle‘, bei denen er sich zwar nicht ernsthaft verletzt, aber jedes Mal derart übertrieben schreit, dass die Szenen an typische Situationen aus Kindercartoons erinnern. Zwar wird Kira Kolumna vom Verlag für Kinder ab acht Jahren empfohlen, doch Kira ist 16 – und das merkt man den meisten Folgen auch an: Die Themen reichen von Umweltschutz, erster Liebe und sozialer Ungleichheit bis hin zu Rassismus sowie Aspekten des digitalen Alltags vieler Jugendlicher wie Social Media oder Gaming. Entsprechend irritierend ist es also, dass Urlaubschaos plötzlich auf überzeichneten Oh-nein-ich-falle-Slapstick setzt – und damit weit hinter dem üblichen Niveau der Reihe zurückbleibt.

Die Konflikte zwischen Eltern und Jugendlichen – die es in Urlaubschaos reichlich gibt – wirken ähnlich konstruiert und überzogen: Beim Abendessen erteilt Johannes, der Mathematikprofessor ist, Kira und ihren Freund:innen millimetergenaue Anweisungen, wie sie das Gemüse zu schneiden haben – und zwar in Bezug auf Größe und Form. Als am Ende die Zucchini in Würfeln statt in Streifen auf dem Schneidebrett liegt und dafür die Zwiebeln und der Knoblauch nicht gehackt, sondern in feine Scheiben geschnitten sind, reagiert Johannes wütend. Das wirkt umso absurder, wenn man bedenkt, dass derselbe Johannes in anderen Folgen regelmäßig Pizza bestellt, weil er vergisst, rechtzeitig zu kochen. Auch Laura zeigt sich ungewohnt streng und verständnislos. Dabei war sie bislang immer offen, entspannt und verständnisvoll – eine der sympathischsten Figuren der Reihe. In Urlaubschaos reagiert sie plötzlich gereizt, wenig empathisch und spießig: Nächtlicher Lärm (in Form von Gekicher) auf einem Campingplatz – schrecklich! Und haben die 18-jährigen Zeltnachbar:innen etwa Alkohol am Lagerfeuer getrunken?! Als wäre alles andere in ihrem Alter (wie gesagt: 16) völlig verantwortungslos, beteuern Kira, Lars und Nele schnell, dass sie selbst natürlich ausschließlich Saft getrunken haben.

Bezeugen können wir das als Hörer:innen allerdings nicht, denn vom Lagerfeuer bekommen wir so gut wie nichts mit. Und das ist schade. Gerade hier hätte sich eine wunderbare Gelegenheit geboten, noch ein wenig Urlaubsstimmung zu erzeugen: knisterndes Feuer, fröhliches Lachen, vielleicht ein Hauch von Gitarrenmusik – all das hätte die Lagerfeuerszene sowie die Geschichte allgemein atmosphärisch bereichern und auflockern können. Zumal Kira Kolumna sonst gerade für seine liebevoll und hochwertig gestaltete Klangkulisse bekannt ist.

Dass Kiddinx auf Sound und Akustik besonders viel Wert legt, zeigt sich später eindrucksvoll: Als ein Gewitter aufzieht, klingt das so realistisch, dass man fast meint, selbst im Zelt zu sitzen. Die Soundgestaltung ist insgesamt – wie bei der gesamten Reihe – erstklassig. Auch die Sprecher:innen liefern durchweg starke Leistungen. Das Problem liegt im Drehbuch: Die Figuren sind schwach geschrieben, die Handlung plätschert dahin, und die einzelnen Elemente wirken seltsam unverbunden. Das eigentliche Abenteuer der Folge – eine Kanufahrt mit anschließender Erkundung eines verlassenen Hauses – kommt erst spät und scheint nicht so recht zum Rest der Geschichte zu passen, lässt aber immerhin ein bisschen Spannung aufkommen.

Inhaltlich gehört Urlaubschaos also sicherlich nicht zu den stärksten Folge der Kira Kolumna-Reihe. Die Handlung wirkt stellenweise konstruiert, viele Szenen sind durch die überzeichneten Konflikte eher anstrengend als unterhaltsam, und wirkliche Urlaubsstimmung will nur selten aufkommen. Wer sich auf ein sommerlich-leichtes Abenteuer freut, wie es Klappentext und Coverbild versprechen, wird daher vermutlich enttäuscht.

Trotzdem gelingt es der Folge auf andere Weise, Lust auf Urlaub zu machen – und zwar durch das Setting: Ein Campingplatz am See, Volleyball am Strand und abends gemeinsam am Lagerfeuer sitzen. Diese Szenen, auch wenn sie im Hörspiel nur punktuell vorkommen, vermitteln ein Gefühl von Freiheit, Freundschaft und Sommer. Unterstützt wird das durch die gewohnt hochwertige Soundkulisse und das sehr gute Spiel der Sprecher:innen.

Urlaubschaos eignet sich also vielleicht weniger als Hörspiel zur Einstimmung auf die Ferien, aber durchaus als akustischer Begleiter im Urlaub – etwa beim Dösen im Liegestuhl, auf einer langen Zugfahrt oder einfach beim Faulenzen in der Hängematte im heimischen Garten. Und während man Kira und Co. beim Streiten zuhört, kann man sich umso mehr darüber freuen, dass der eigene Urlaub entspannter verläuft. Denn auch wenn Urlaubschaos seine Schwächen hat – als akustischer Kurzurlaub taugt die Folge allemal.

Für alle, die mit Kira wirklich in Sommerstimmung kommen möchten, lohnt sich ein Blick in andere Folgen – zum Beispiel in Folge 6 Sommer in Südberg: Hier gelingt die Mischung aus stimmiger Handlung, sympathischen Figuren und echter Ferienatmosphäre deutlich besser. Und wer beim Hören lieber vom nächsten Städtetrip träumen will, kann sich mit Folge 15 Offline in Barcelona zumindest akustisch nach Spanien entführen lassen. Denn auch wenn Urlaubschaos nicht ganz überzeugt – eine Folge von Kira Kolumna ist als mentaler Kurzurlaub eigentlich immer lohnenswert.

Titelbild

Leonie Below: Urlaubschaos / Kira Kolumna.
Kiddinx Media GmbH, Berlin 2025.
1 CD + 1 Booklet (4 ungezählte Seiten),
ISBN-13: 4001504224219

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