Wie international ist der Buchmarkt?

Corinna Norrick-Rühl stellt in ihrer neuen Publikation vor allem den anglophonen Buchmarkt dar

Von Günther FetzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Günther Fetzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der verdienstvollen kleinen Reihe buch & medien hat der Frankfurter Verlag Bramann nun den Band Internationaler Buchmarkt vorgelegt. Autorin ist die Buchwissenschaftlerin Corinna Norrick-Rühl von der Universität Mainz. Die didaktisch ausgerichtete Studie mit einem jedes Kapitel einleitenden Praxisbeispiel, Worterklärungen im Text, einem Glossar (hier „spotlights“ genannt) sowie Aufgaben für den Leser einschließlich der Lösungshinweise behandelt den Gegenstand in drei unterschiedlich gewichteten Kapiteln. Im recht kurzen ersten Kapitel „Buchmärkte in nationaler und internationaler Perspektive“ wird ein Blick auf internationale Branchenorganisationen geworfen und die wichtigsten internationalen Buchmessen werden aufgeführt. Kapitel zwei behandelt die Buchmärkte in Zahlen und bringt neben einer kurzen Skizze der zur Verfügung stehenden statistischen Quellen einen Überblick über die größten nationalen Märkte. Auf ziemlich genau der Hälfte des Buchs beschreibt die Autorin („US-Amerikanerin und studierte Anglistin“ – so der Rückseitentext) den „globalen anglophonen Buchmarkt“ mit einer breiten Palette von Themen: von der geschichtlichen Entwicklung und der Bibliotheksinfrastruktur und -nutzung über Leser und Lesekultur sowie Mehrwertsteuer und Buchpreisbindung, Zensurdebatten und internationale Literaturpreise bis hin zu Game Shows und Talk Shows.

Nun könnte man lange darüber diskutieren, ob die Basisaussage des Buchs („Die Grenzen zwischen den nationalen Buchmärkten verschwimmen zusehends.“) richtig ist. Die beiden zitierten Beispiele, nämlich Fire and Fury/Feuer und Zorn von Michael Wolff und Becoming von Michelle Obama, sind die absoluten Ausnahmen. Eine sicherlich nur punktuell aussagekräftige Auszählung der sechs Spiegel-Bestsellerlisten zum derzeitigen Zeitpunkt (Mitte Februar 2020) ergibt, dass unter den jeweils ersten fünf Plätzen, also unter 30 Büchern, deutlich weniger als die Hälfte eine Lizenz aus dem Ausland sind. Dabei ist einerseits die ‚Normalverteilung‘ offenkundig, denn die meisten Titel stammen aus dem angelsächsischen Sprachraum. Andererseits ist das ja eine durchaus traditionelle Normalverteilung, denn in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde schon immer vor allem Unterhaltungsliteratur importiert – in früheren Jahren und Jahrzehnten eher mehr als heute, wenn man etwa an den Aufstieg des deutschsprachigen Krimis seit den 1980er/1990er Jahren denkt.

Gleichwohl gilt: Das schmale Buch ist eine Fundgrube an Informationen, die man sonst nirgends so kompakt dargestellt findet. Das reicht von den nationalen Buchhandelsgeschichten und der Organisationsstruktur der International Publishers Association (IPA) über das Ranking der zehn größten Buchmärkte nach Marktvolumen oder Titelausstoß und dem Gesamtumsatz der nationalen Märkte aus Verkauf und Lizenzen bis zur langen, von Australia bis Yemen reichenden Liste von jährlich publizierten Titeln – wo es die Datenlage erlaubt, differenziert nach Total, Retail/Trade, Educational und Scholarly, academic and scientific.

Bei aller Grundlagenarbeit und verdienstvoller Zusammenstellung von Daten und Statistiken bleiben jedoch ein paar Dinge anzumerken. Welchen Sinn macht es, eine Tabelle zur Alphabetisierungsrate anglophoner Länder aufzunehmen, wenn von elf Ländern nur zu vieren davon Zahlen vorliegen und die Daten zu den beiden wichtigsten Märkten Großbritannien und USA fehlen? Auch erschließt sich der Sinn und Stellenwert von Erklärungen – durch Farbflächen hervorgehoben – zu „Nettogewinn“, „Paratexten“ und „Peer-Review-Verfahren“ et cetera in diesem Kontext nicht. Ferner ist die Systematik nicht einsichtig, nach der zwischen Einträgen im Glossar (zum Beispiel „Postkolonialismus“) und Erläuterungen im Textteil (zum Beispiel „Dekolonisation“) unterschieden wird. Und schließlich vermisst man eine Erklärung, warum die Zahlen zu Übersetzungen aus dem amerikanischen und dem britischen Englisch ins Deutsche nur bis 1974 reichen. Die neuere und neueste Entwicklung hätte man gern erfahren.

Titelbild

Corinna Norrick-Rühl: Internationaler Buchmarkt.
Bramann Verlag, Frankfurt 2019.
122 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783959030069

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