Gummiseele

Im fünften Teil der KiWi-Musikbibliothek berichtet Frank Goosen über seine lebenslange Liebe zu den Beatles

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Erfolg der im Herbst von Kiepenheuer & Witsch gestarteten neuen Musikbibliothek hat den Verlag wohl selbst überrascht. Thees Uhlmanns Buch über die Toten Hosen schaffte es im Oktober sogar in die Top Ten der Spiegel-Bestseller-Liste. Das Konzept hat der Verlag wohl in Anlehnung an die seit vielen Jahren beliebte britische Reihe 33 1/3 entworfen, bei der vornehmlich Journalisten und Wissenschaftler, aber auch hin und wieder Musiker und Schriftsteller, je ein Buch über ihr Lieblingsalbum schreiben. Regeln gibt dabei es keine, ob Roman, autobiographische Skizze, wissenschaftlicher Essay, oder einfach nur Fan-Euphorie – alles ist erlaubt. Die KiWi-Reihe ist allgemeiner konzipiert, beschäftigen sich die im ähnlichen Format wie der britische Vorläufer erscheinenden Bände doch mit einzelnen Interpreten oder Bands und nicht mit spezifischen Alben. Bisher war das Ergebnis zweischneidig. Uhlmanns Band war ein lose zusammengewürfeltes, unstrukturiertes Sammelsurium von Anekdoten, die man mitunter auch schon von seinen Bühnenansagen oder Interviews kannte. Das Buch von Tino Hanekamp über Nick Cave hingegen war eine Art autobiographische Road-Novel, ein wunderbares Buch, das nicht nur unterhaltsam die Irrfahrten des Timo Hanekamp schilderte, sondern auch einen tiefen, emotionalen Einblick in das Schaffen Nick Caves gewährte.

Nun also beginnt die zweite Runde mit einem Buch über die Beatles. Dass der Autor den Namen Frank Goosen trägt, verspricht kurzweilige Unterhaltung mit einer Menge musikalisch inspirierter Situationskomik im Stile Nick Hornbys. Und tatsächlich liefert Goosen einen wundervoll nerdigen, unterhaltsamen, leider aber auch etwas inkongruenten Blick auf seine Leidenschaft für die Fab Four. Dabei entscheidet sich der Bochumer Autor für eine Dreiteilung: Im ersten Teil, dem gelungensten des Triptychons, erzählt er über seine musikalische Sozialisierung durch die Beatles. Er berichtet, wie sein Vater, ein Elektriker, ihm die ersten Platten der Band als ‚Bezahlung‘ für Schwarzarbeit bei einem Bochumer HiFi-Geschäft mitgebracht hat. Und wie es nach dem Hören des ‚Roten Albums‘ und des ‚Blauen Albums‘ um ihn geschehen war. Es ist ein wunderbar melancholischer, gleichsam witziger Bericht über eine Kindheit und Jugend im Ruhrgebiet, und das ist schließlich Goosens Spezialität.

Umso unverständlicher, dass dieser Bericht abrupt abbricht, um dem zweiten Teil Platz zu machen. Hier begibt sich der zeitgenössische Goosen – bereits mit dem Auftrag, das vorliegende Buch zu schreiben, ausgestattet – mitsamt Frau und zwei Teenie-Söhnen nach Liverpool, um eine Beatles-Sightseeing-Tour mitzumachen. Dieser Teil ist extrem zäh, nur leidlich komisch, und ergibt im Gesamtkontext des Buches auch nicht allzu viel Sinn. Natürlich ist es interessant zu erfahren, dass Liverpool, zumindest in den Augen des Autors, mittlerweile zu einer Art ‚Beatles-Ballermann‘ verkommen ist. Auch die Begehung der vielen historischen Orte ist mit viel Liebe, und oft auch mit einem Augenzwinkern, beschrieben. Doch ist man gleichzeitig froh, wenn dieser Teil vorbei ist, und sich Goosen wieder seinem eigenen Verhältnis zu den Platten der Fab Four widmet.

Im dritten Teil nämlich holt der Autor seine alten Vinyl-Platten aus dem Keller, kauft sich einen Plattenspieler und merkt mit ca. zwölf Jahren Verspätung dann auch, dass Vinyl allen anderen Formen der Musikspeicherung weit überlegen ist – an dieser Stelle nimmt man ihm seine Musikaffinität irgendwie nicht mehr so richtig ab. Und obwohl dieser letzte Teil recht interessant ist, weil Goosen die Alben der Beatles nochmal einzeln durchhört und für uns Leser (durchaus kundig, bis auf seine Einschätzung zu Let It Be – darüber muss gesprochen werden!) kommentiert, wirkt es, als habe er für das dritte Segment keine Zeit mehr gehabt – etwa, wenn er verspricht, sich nochmal dem ‚Blauen‘ und ‚Roten‘ Album zu widmen (auf denen schließlich auch die Non-LP-Singles versammelt sind), und dies dann doch nicht tut.

Vergleicht man das Buch mit den oben erwähnten, so steht The Beatles zwischen dem humoristisch-emotionalen Zugang von Hanekamp und der Schlampigkeit von Uhlmann. Ein unterhaltsames Werk für Goosen- und Beatles-Fans gleichermaßen; nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Titelbild

Frank Goosen: Frank Goosen über The Beatles.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020.
192 Seiten , 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783462054064

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch