Das Ersatzteillager der Klischees

Bestechende Ehrlichkeit im ersten abendfüllenden Film von Jungregisseur Max Zähle: „Schrotten!“

Von Julian KlimmaschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julian Klimmasch

Man stelle sich einen Familienclan vor, der nicht nur aufgrund seiner Zusammenstellung aus skurrilen Typen auffällt, sondern vor allem durch seine Familientradition. Der älteste Sprössling des Patriarchen wendet sich von der Familie ab und baut sich eine neue Existenz in einem Beruf auf, der so gar nicht zu seinen Wurzeln passt. Dabei wird er vielleicht einigermaßen erfolgreich, aber nicht glücklich, was nicht zuletzt daran liegt, dass er kaum ernsthafte Beziehungen pflegt. Doch sein Weg führt ihn, zunächst unfreiwillig, zurück zur Familie. Sagt einem dieses Prinzip zu, wird man auch Max Zähles Schrotten! (2016) mögen.

Mirko Thalhammer (Lucas Gregorowitz) wächst in einer alten Schrottplatzdynastie auf, von der er sich aber abwendet, um als Versicherungskaufmann Karriere zu machen. Nach dem Tod seines Vaters, der mit allen Mitteln versucht hat, die Übernahme seines Schrottplatzes durch den Großhändler Kercher (Jan-Gregor Kremp) zu verhindern, kehrt Mirko zurück. Sein Antrieb: den Schrottplatz zu Geld machen, um berufliche Schulden zu tilgen. Allerdings ahnt der Zuschauer bereits vor ihm, dass dem in Wahrheit nicht so ist. Zunächst widerwillig schließt er sich mit seinem jüngeren Bruder „Letscho“ (herrlich blöd gespielt von Frederik Lau) zusammen, um eine Kupfergroßlieferung Kerchers zu stehlen und so für immer frei von Geldsorgen zu sein.

Beeindruckend ist, mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit sich der Film sämtlicher Klischees bedient, sei es in Bezug auf die Story oder die Charaktere. Die Bandbreite reicht vom ungleichen Brüderpaar (der eine intelligent, aber arrogant, der andere hohl wie eine Christbaumkugel, aber loyal), das durch kindische Prügelleien zueinander findet, bis hin zum Bösewicht, der so schmierig ist wie das Haargel, das er in Massen benutzt. Mit von der Partie ist auch die wortgewandte attraktive Traumfrau, die nicht nur anpacken kann, sondern auch die finanziellen Geschicke leitet. Der Film spielt nicht mit Klischees, sondern besteht aus ihnen.

Der Film erfindet das Rad zwar nicht neu, dennoch funktioniert und harmoniert die muntere Erzählweise mit der Story: So steigt die Handlung mit dem Diebstahl von Schienen durch die Familie ein, der von der Stimme des Protagonisten aus dem Off mit lustigen Sprüchen kommentiert wird und nicht zuletzt trägt der norddeutsche Dialekt der Figuren zur unaufgeregten Atmosphäre des Films bei.

Bei diesem Film weiß man, unabhängig davon, ob man den Trailer gesehen hat oder nicht, nach den ersten 10 Minuten, wie es weiter und auch zu Ende geht. Schrotten! ist insofern absolut ehrlich, weil er in keiner Weise leugnet das zu sein, was er ist: eine kurzweilige Komödie mit sympathischen Charakteren und einer vorhersehbaren Story, die den Zuschauer mit einem guten Gefühl nach Hause entlässt.

Schrotten!
Deutschland 2016
Regie & Drehbuch: Max Zähle
Darsteller: Lucas Gregorowicz, Frederic Lau, Anna Bederke
Länge: 102 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

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