Leserbriefe zur Rezension

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Arbeiterkind ins Professorenreich

Der Band „Vom Arbeiterkind zur Professur. Sozialer Aufstieg in der Wissenschaft“ gewährt ebenso seltene wie relevante Einblicke in einen wenig erforschten Karriereweg

Von Anne Kramer


Prof. Dr. Günter Helmes schrieb uns am 25.01.2021
Thema: Anne Kramer: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Arbeiterkind ins Professorenreich

Herzlichen Dank für das Buch, herzlichen Dank für die Besprechung. - Mein Vater musste mit 13 Jahren die Schule verlassen und eine Lehre als Betriebselektriker antreten, später arbeitete er sich zum technischen Angestellten hoch und wurde sogar Bürgermeister meines ca. 900 Seelen zählenden Heimatdorfes. Das zog selbstverständlich jede Menge Benimmregeln für mich und meine Schwester nach sich. Meine Mutter konnte nach der Hauptschule immerhin ein Jahr lang die Handelsschule besuchen und sogar zur Chefsekretärin aufsteigen. Universität war für meine Eltern ein exotischer Ort, Bücher waren eine kaum zu rechtfertigende Ausgabe und überhaupt entbehrlich. Der Besuch des Gymnasiums - ich war der erste in der erweiterten Familie, dem das ermöglicht wurde - war vor allem für meinen Vater Wunschtraum und Bedrohung zugleich --- muss man mehr (auswendig) wissen als das, was in Herders Volkslexikon steht, führte das nicht zu "Opposition mit drei P" (wie er zu sagen pflegte)? Als ich 1973 mein Studium an der damaligen Gesamthochschule Siegen begann, hatte ich keine Vorstellung davon, dass diese Einrichtung von 'richtigen' Universitäten nur müde belächelt wurde. Vor allen Dozenten hatte ich hohen Respekt, hielt mich für glücklich, ausgerechnet auf diese 'Ausnahmeintellektuellen' gestoßen zu sein und ging insbesondere davon aus, dass es sich um einen allein dem Wissen, dem besseren Argument und der Leistungsbereitschaft verpflichteten Ort handele. In die Mensa traute ich mich die ersten Semester nicht aus Angst, dort etwas falsch machen zu können. Dank aufgeschlossener Dozenten und Dozentinnen - allen voran mein späterer Doktorvater Helmut Kreuzer - gelang es langsam, Fuß zu fassen, immer freilich in dem Gefühl, dass diese, insbesondere jene mit bildungsbürgerlichem Hintergrund und Habitus, aus einer anderen, milde die Hand reichenden Welt stammten. Wie sollte das gehen, in diese Welt hineinzuwachsen und gleichzeitig nicht die Brücken zur Herkunft niederzureißen? Wollte ich überhaupt 'zum Betrieb', zum bald erkannten „Haifischbecken“ (H. Kreuzer) gehören? ...


Dr. Petra Dinse schrieb uns am 26.01.2021
Thema: Anne Kramer: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Arbeiterkind ins Professorenreich

Vielen Dank für den Artikel. Spannend wäre zu untersuchen, wie das Verhältnis in der damaligen DDR aussah. Ich komme auch aus einer Arbeiterfamilie, meine weitere Karriere scheiterte an der Nichtzugehörigkeit
zur SED, aber auch an
familiären Problemen. Jedenfalls ein sehr interessanter Untersuchungsgegenstand.