Der Krieg in Galiläa

Der Krieg in Galiläa

(Josefus’ Krieg III 1) Als Nero von den Niederlagen in Judäa erfuhr, ergriff ihn Angst und Bestürzung. Er fand allein Vespasian der Aufgabe gewachsen, die Führung eines so bedeutenden Krieges zu übernehmen; hatte doch der im Kriegsdienst ergraute Mann schon unter Klaudius im Kampf mit Germanen und Britanniern sich ausgezeichnet. Da Nero außerdem Vespasians gesetztes Alter, seine Ergebenheit und seiner Söhne jugendliche Kraft in Betracht zog, deren sich die Klugheit des Vaters wie seiner eigenen Hände bedienen konnte, so übertrug er ihm den Oberbefehl in Syrien.

Vespasian sandte von Achaja aus, wo er sich mit Nero befand, seinen Sohn Titus nach Alexandria, um von dort die XV. Legion in Marsch zu setzen. Er selbst begab sich nach Syrien, wo er die V. und X. Legion und von den benachbarten Königen zahlreiche Hilfstruppen zusammenzog. (2) Mit diesen eilte er nach Ptolemais[1] (4) wo Titus mit der ägyptischen Legion zu ihm stieß. Er verfügte nun über ein Heer von insgesamt sechzigtausend Mann, ungerechnet die zahlreichen, ebenfalls mit Waffen ausgebildeten Troßknechte.

(6) Als er mit diesem Heere an der Grenze Galiläas erschien, stob das unter Josefus’ Führung stehnde jüdische Heer in wilder Flucht auseinander, ohne den Feind auch nur zu Gesicht bekommen zu haben. (7) Die meisten flüchteten in das durch Natur und Kunst fast uneinnehmbare Jotapata, wohin sich auch Josefus begab. Als Vespasian dies erfuhr, brach er sofort mit seinem ganzen Heere dorthin auf und schloß die Festung von allen Seiten mit einem dreifachen Truppenring ein. Am nächsten Tage schon begann er mit dem Angriff. Die Juden leisteten aber so erbitterten Widerstand, daß erst am siebenundvierzigsten Tage der Belagerung nach Einsatz aller Kampfmittel (Dämme, fahrbarer Türme, Geschütze und Widder) ein überraschender Sturm in der Morgenfrühe zur Einnahme der Stadt führte. Die gesamte Bevölkerung Jotapatas wurde niedergemacht, nur Frauen und Kinder verschont.

(8) Josefus hatte sich in eine Höhle geflüchtet, wurde aber von einer Frau an die Römer verraten und ergab sich, nachdem ihm Vespasian das Leben verbürgt hatte. Doch befahl dieser, ihn mit aller Sorgfalt zu bewachen, da er ihn unverzüglich zu Nero schicken wollte. Da erklärte Josefus, er habe eine Botschaft von Gott an ihn: Neros Nachfolger würden sich nicht lange auf dem Thron behaupten; dann aber würde er, Vespasian, Kaiser werden und auch sein Sohn Titus. Vespasian mißtraute anfangs diesen Worten; er dachte, Josefus wolle sich dadurch nur das Leben retten. Doch als er erfuhr, Josefus habe schon in anderen Fällen zutreffend geweissagt, begann er ihm Glauben zu schenken. Und so ließ er ihn zwar im Gefängnis und in Fesseln, machte ihm aber ein Geschenk und ordnete eine milde Behandlung für ihn an.

(9) Als die Kunde vom Fall Jetapatas nach Jerusalem gelangte, wollten die meisten anfangs nicht daran glauben, zumal niemand erschien, der das Berichtete selbst gesehen hatte. Allmählich aber wurde die Wahrheit durch Berichte der Nachbarn Jetapatas über jeden Zweifel erhoben, wenn diese auch manches hinzudichteten. So hieß es z.B. anfangs, auch Josefus sei bei der Einnahme der Stadt gefallen. Als aber mit der Zeit bekannt wurde, daß Josefus lebe und ihm von seiten der römischen Führer eine Behandlung zuteil würde, wie sie ein Kriegsgefangener nicht erhoffen konnte, wurde der Groll der Juden gegen den Lebenden ebenso groß, wie zuvor die Trauer um den Totgeglaubten gewesen war. Die einen beschimpften ihn jetzt als Feigling, die andern als Verräter, und die Stadt war voll von Schmähungen gegen ihn. Vespasian aber verbrachte während des Sommers zwanzig Tage mit Schmausereien und Dankopfern für seine Siege in Cäsarea Filippi, der Hauptstadt König Agrippas, der ihn eingeladen hatte und mit aller Pracht empfing, um mit Hilfe der Römer seinen wankenden Thron zu stützen.

Als Vespasian dann hörte, daß Taricheä abgefallen und in Tiberias Unruhen ausgebrochen seien[2], marschierte er mit seinem ganzen Heere dorthin. Bei seinem Herannahen zogen die Aufrührer aus Tiberias ab; diese Stadt blieb deshalb und weil Agrippa für sie bat, von Plünderung und Gewalttat verschont. (10) Taricheä dagegen konnte erst nach blutigem Kampf genommen werden. Die aus der Stadt auf den See Gennesar geflohenen Aufrührer wurden mit Hilfe schnell gebauter Flöße eingeholt und vernichtet. Die von auswärts zugereisten Aufwiegler gwährte Vespasian freien Abzug nach Tiberias, ließ sie dann aber dort in das Stadion treiben und alle Greise und Schwachen, tausendzweihundert an der Zahl, niedermachen; von den jüngeren Männern dagegen las er die sechstausend kräftigsten aus, um sie Nero für die Durchstechung des Isthmus von Korinth zu schicken; den Rest, etwa dreißigtausendvierhundert, verkaufte teils er selbst, teils, soweit sie aus Agrippas Reiche stammten, dieser in die Sklaverei.

Der See Gennesar, der seinen Namen von der angrenzenden Landschaft hat, ist vierzig Stadien breit und hundertvierzig Stadien lang. Sein Wasser ist zum Trinken sehr geeignet; denn es ist überall klar, weil der See von sandigen Ufern begrenzt ist; auch ist es milder als Fluß- oder Quellwasser und kühler als man nach der Ausdehnung des Sees erwarten sollte. Die Fischarten des Sees unterscheiden sich in Geschmack und Gestalt von den anderswo vorkommenden. Seine Mitte wird vom Jordan durchschnitten. Am See entlang erstreckt sich eine gleichnamige, dreißig Stadien lange und zwanzig Stadien breite Landschaft von wunderbarer Schönheit. Die Fruchtbarkeit ihres Bodens und die milde Luft lassen jedes Gewächs gedeihen. Nußbäume, die der Kühle bedürfen, wachsen dort in großer Zahl ebenso wie Palmen, die Hitze brauchen; dicht daneben stehn Feigen- und Ölbäume, denen gemäßigte Wärme zusagt. Auch liefert der Boden die köstlichen Weintrauben und Feigen zehn Monate lang ohne Unterbrechung, während die übrigen Früchte, eine nach der andern, das ganze Jahr hindurch reifen. Zu dem günstigen Klima kommt noch die Bewässerung durch eine lebenspendende Quelle, die die Eingeborenen Kafarnaum nennen.

(IV 1) Nach ihrer Niederlage in Taricheä unterwarfen sich auch die Galiläer, die nach dem Fall Jotapatas noch im Aufstand gegen die Römer beharrt hatten. (2) Gis-chala ergab sich, als sein Verteidiger Johannes mit seiner Bande nach Jerusalem abgezogen war.

Erklärungen

[1] Akko.

[2] Taricheß und Tiberias am Westufer des Sees Gennezaret gehörten zum Reiche Agrippas. Vgl. Altertümer XX 8!