Gleichnisreden

Gleichnisreden

(Mk IV 1) Und er lehrte am Meer. Da sich nun eine große Menge um ihn drängte, bestieg er ein Boot und fuhr ein wenig aufs Meer hinaus, während die Menge am Ufer blieb. (2) Und er lehrte sie in Gleichnissen[1] und sprach:

(3) „Ein Sämann ging aus zu säen. (4) Und als er säte, fiel einiges auf den Weg; da kamen die Vögel und pickten es auf. (5) Anderes fiel auf steinigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte; es ging bald auf, (6) wurde aber von der Sonne versengt und verdorrte, weil es keine Wurzel hatte. (7) Anderes fiel in die Dornen; und die Dornen liefen auf und erstickten es. (8) Anderes aber fiel auf gutes Land, ging auf, wuchs und brachte dreißig-, sechzig-, ja hundertfache Frucht.[2]

(26) Mit dem Reiche Gottes verhält es sich so, wie wenn einer Samen aufs Land streut, (27) sich dann schlafen legt und wieder aufsteht Abend für Abend und Morgen für Morgen; der Same aber sprießt und wächst, er weiß nicht wie. (28) Von selbst[3] bringt die Erde Frucht: erst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre.

(30) Womit können wir das Reich Gottes vergleichen? (31) Mit einem Senfkorn! Wenn dies kleinste aller Samenkörner aufs Land gestreut wird (32) und aufgeht, so wird es größer als alle Kräuter und macht Schüsse, so groß, daß die Vögel unter seinem Schatten nisten.[4]

(Mt XIII 33) Mit dem Reiche Gottes verhält es sich wie mit dem Sauerteig, den eine Frau unter drei Scheffel Mehl mengt, bis es ganz durchsäuert ist.[5]

(44) Das Reich Gottes gleicht einem im Acker vergrabenen Schatz, den ein Mann findet und wieder vergräbt, um voll Freude hinzugehn, alles, was er hat, zu verkaufen und dafür den Acker zu kaufen.[6]

(45) Mit dem Reiche Gottes verhält es sich wie mit einem Kaufmann, der gute Perlen sucht (46) und, wenn er eine besonders kostbare findet, alles verkauft, was er hat, und die Perle kauft. [7]

(24) Mit dem Reiche Gottes verhält es sich wie mit einem Manne, der guten Samen auf seinen Acker gesät hatte. (25) Doch während seine Knechte schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. (26) Als nun die Halme schossen und Frucht ansetzten, zeigte sich auch das Unkraut. (27) Da fragten die Knechte: „Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? woher nun das Unkraut?“ (28) Er antwortete: „Das hat ein Feind getan.“ Die Knechte fragten weiter: „Solln wir es ausjäten?“ (29) Er antwortete: „Nein! ihr würdet beim Jäten den Weizen mit ausreißen. (30) Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte! Dann werde ich den Schnittern sagen: „Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; den Weizen aber sammelt in meine Scheune!“[8]

(47) Mit dem Reiche Gottes verhält es sich wie mit einem Netz, das, wenn mans ins Meer wirft, Fische aller Art fängt. (48) Wenn es voll ist, ziehen die Fischer es an den Strand, setzen sich und sammeln die guten in die Töpfe, die schlechten aber werfen sie fort. (49) So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden ausziehn und die Bösen von den Frommen scheiden (50) und sie in den Feuerofen[9] werfen; dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.“

(XXV 14) Mit dem Reiche Gottes verhält es sich wie mit einem Manne, der vor einer Reise seinen Knechten sein Vermögen übergab, (15) dem einen fünf, dem andern zwei, dem dritten ein Talent, jedem nach seinen Fähigkeiten, und dann abreiste. (16) Alsbald ging der, der die fünf Talente erhalten hatte, hin, handelte mit ihnen und gewann fünf andere. (17) Ebenso gewann der, der die zwei erhalten hatte, zwei andere. (18) Der aber das eine erhalten hatte, machte eine Grube und verbarg darin das Geld seines Herrn. (19) Nach langer Zeit kam der Herr der Knechte zurück und rechnete mit ihnen ab. (20) Da sagte der, der fünf Talente erhalten hatte: „Herr, fünf Talente hast du mir gegeben, ich habe fünf hinzugewonnen.“ (21) Der Herr sagte: „Recht so, du guter treuer Knecht! nur wenig war dir anvertraut, ich will dich über viel setzen.“ (22) Der die zwei Talente erhalten hatte, sagte: „Herr, zwei Talente hast du mir gegeben, ich habe zwei hinzugewonnen.“ (23) Der Herr sagte: „Recht so, du guter treuer Knecht! nur wenig war dir anvertraut, ich will dich über viel setzen.“ (24) Der aber das eine Talent erhalten hatte, sagte: „Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist, erntest wo du nicht gesät und sammelst wo du nicht gestreut hast. (25) So fürchtete ich mich und verbarg dein Talent in der Erde; hier hast du es wieder.“ (26) Da schalt der Herr: „Du schlechter und fauler Knecht, wenn du wußtest, daß ich ernte wo ich nicht gesät und sammle wo ich nicht gestreut habe, (27) so hättest du wenigstens mein Geld auf die Bank bringen sollen, dann hätte ich es jetzt mit Zinsen wiederbekommen. (28) Darum nehmt ihm das Talent und gebt es dem, der die zehn Talente hat! (29) Denn wer da hat, dem wird gegeben bis zum Überfluß; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen. was er hat.“

(Mk IV 33) In vielen solchen Gleichnissen sprach er zu ihnen; (34) seinen Jüngern aber erklärte er alles, als sie unter sich waren, (Mt XIII 16) und sprach: „Selig eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren, daß sie hören! (17) Viele Profeten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr seht, es aber nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, es aber nicht gehört.“

Erklärungen

[1] „Zwischen Vergleich Sprichwort Parabel Allegorie macht das semitische Maschal keinen Unterschied. Es ist zwar richtig, dass das semitische Gleichnis sehr oft nur einen Punkt trifft und grell beleuchtet. Doch kann es auch auf mehrere Punkte der verglichenen Sache passen und der Allegorie entsprechen oder ihr nahe kommen.“ (Wellhausen)

[2] In einem Anhang, Vers 10-20, deutet Jesus den Zwölfen die verschiedenen Böden, auf die die Saat fällt, als die in verschiedener Weise aufnahmefähigen Hörer des Wortes, d. i. der frohen Botschaft. Aber der wahre Gegenstand des Gleichnisses sind nicht die Böden, sondern der Sämann, d. i. Jesus, der unbekümmert darum, dass seine Verkündung bei den meisten Hörern erfolglos bleibt, damit fortfährt in der Gewissheit, dass sie wenigstens bei einigen reiche, ja überreiche Frucht bringen wird. Die Deutung wird von einem Lehrer hinzugefügt sein.

[3] „Von selbst“ wird das Reich Gottes kommen, nachdem Jesus es verkündet hat.

[4] Aus winzigen Anfängern wird sich das Reich Gottes mächtig entwickeln.

[5] So wird die Lehre Jesu das ganze jüdische Volk bzw. die Welt durchdringen.

[6] Um am Reiche Gottes teilzuhaben, soll man allen andern Besitz aufopfern.

[7] Um am Reiche Gottes teilzuhaben, soll man allen andern Besitz aufopfern.

[8] In diesem nur von Mt überlieferten Gleichnis ist unter dem Reich Gottes durchaus die christliche Kirche zu verstehen. Ihre Leiter sollen nicht versuchen, die Schlechten aus ihrer Mitte auszurotten: es würden Missgriffe vorkommen. Die Ausrottung soll dem Endgericht Gottes überlassen bleiben. Da das Gleichnis ein Problem der christlichen Gemeinde behandelt, so wird es in dieser entstanden sein und nicht von Jesus stammen.

[9] Die Hölle.

Israel und Juda. Sage und Geschichte, Weisheit und Hoffnung eines Volkes in Selbstzeugnissen. Hg. u. kommentiert von August Möhle (seit 2017 auch als E-Book)