Psalmen

Psalmen[1]

 Psalm I

 

1 Wohl dem der nicht folgt dem Rate der

Gottlosen noch wandelt den Weg der Sünder

noch sitzt in der Spötter Kreis,

2 sondern hat Lust am Gesetz des Herrn

und sinnt darüber Tag und Nacht.

3 Der ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt,

der seine Frucht bringt zu seiner Zeit,

dessen Laub nicht verwelkt:

was er macht gerät wohl.

 

4 Aber so sind die Gottlosen nicht,

sondern wie Spreu die der Wind verweht.

5 Drum bestehn die Gottlosen nicht im Gericht

noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten;

6 denn der Herr kennt den Wandel der Gerechten,

doch der Gottlosen Wandel führt ins Verderben

 

II[2]

 

1 Warum toben die Heiden, sinnen Eitles die Völker?

2 Könige lehnen sich auf, verschwören sich Fürsten

gegen Jahwe und seinen Gesalbten[3]:

3 „Laßt uns zerreißen ihre Stricke, abwerfen ihre Seile!“

 

4 Der im Himmel thront lacht, der Herr spottet ihrer.

5 Bald wird er reden zu ihnen in seinem Zorn,

sie schrecken mit seinem Grimm;

6 hat er doch mich zum König geweiht

auf Zion seinem heiligen Berge.[4]

 

7 Kundtun will ich Jahwes Beschluß; er sprach zu mir:

„Mein Sohn bist du, ich habe dich heute[5] gezeugt[6].

8 Ich geb dir die Heiden zum Erbe, der Erde Enden zum Eigentum.

9 Du sollst sie mit eisernem Stabe zerschlagen,

wie irdnes Geschirr sie zerschmettern.“[7]

 

10 So laßt euch nun weisen, ihr Könige,

euch warnen, ihr Richter auf Erden!

11 Dient Jahwe mit Furcht …..[8],

12 damit er nicht zürnt und ihr umkommt am Wege,

wenn plötzlich sein Zorn entbrenn!

Wohl denen die ihm vertraun!

 

VIII

 

2 Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!

4 Wenn ich sehe den Himmel, das Werk deiner Finger,

den Mond und die Sterne, die du gesetzt,

5 was ist dann der Mensch, daß du sein gedenkst,

das Menschenkind, daß du sein dich annimmst?

6 Und doch hast du fast zum Gott ihn erhoben:

mit Ehre und Hoheit ihn gekrönt,

7 zum Herrn ihn gemacht des Werks deiner Hände,

alles ihm unter die Füße gelegt:

8 Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere,

9 die Vögel des Himmels, die Fische im Meer.

10 Herr, unser Herrscher, wie hehr ist dein Name in allen Landen!

 

XIX

 

2 Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes,

die Feste verkündet seiner Hände Werk;

3 ein Tag sagts dem andern, eine Nacht kündet der andern.

5 Dem Sonnenball hat er ein Zelt gemacht;

6 dem Bräutigam[9] gleich tritt er aus seiner Kammer,

läuft freudig wie ein Held seine Bahn,

7 geht auf an einem Himmelsende, eilt zum andern;

nichts kann vor seiner Glut sich bergen.

 

XXII[10]

 

2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

3 Am Tage rufe ich, aber du antwortest nicht;

bei Nacht, und finde keine Ruh.

5 Auf dich vertrauten unsre Väter, vertrauten und wurden befreit;

6 schrien zu dir und wurden errettet,

ihr Vertrauen auf dich ward nicht enttäuscht.

7 Doch bin ein Wurm und nicht mehr Mensch,

ein Spott der Leute, vom Volke verachtet.

8 Wer mich sieht der spottet mein,

rümpft die Nase, schütteln den Kopf:

9 „Er befahl sich Jahwe; der rette ihn! er liebt ihn ja.“

10 Ja, du bists der mich zog aus der Mutter Schoß,

mich barg an der Mutter Brust.

12 Verlaß mich nicht! denn Not ist nah und nirgend ein Helfer.

13 Rudel von Stieren umringen mich,

14 seinen Rachen sperrt auf gegen mich ein brüllender reißender Löwe.

15 Ausgeschüttet wie Wasser bin ich, gelöst sind all meine Knochen,

mein Herz in der Brust ist geworden wie Wachs,

16 trocken wie eine Scherbe mein Schlund,

die Zunge klebt mir am Gaumen, du legst mich in Todes Staub.

17 Hunde umringen mich, einkreist mich der Bösen Rotte;

…..[11] meine Hände und Füße;

18 all meine Knochen kann ich zählen.

Sie aber schaun ihre Lust an mir,

teiln meine Kleider unter sich, werfen das Los um mein Gewand.

20 Doch du, Jahwe, verlaß mich nicht! meine Stärke, eile mir zur Hilfe!

21 Rette mein Leben vor dem Schwert, aus der Hunde Gewalt meine Seele!

22 hilf aus des Löwen Rachen des mir, steh mir bei vor der Ure Hörnern

 

XXIII

 

1 Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

2 Auf grünen Auen läßt er mich lagern

und führet mich zur Ruhstatt am Wasser;

3 er erquickt meine Seele;

er führet mich auf rechtem Pfad um seines Namens willen.

4. Ach wenn ich wandre in finstrer Schlucht, fürcht ich kein Unglück;

denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

5 Du deckst vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde;[12]

du salbst mein Haupt mit Öl, mein Becher bleibt niemals leer.

6 Nur Glück und Huld werden mir folgen mein Leben lang,

und bleiben werd ich im Hause des Herrn immerdar.

 

XXIV[13]

 

3 Wer darf hinaufziehn zum Berge Jahwes,

wer treten an seine heilige Stätte?

4 Wer reine Hände hat und ein lauteres Herz,

nicht sinnt auf Trug und nicht falsch schwört,

5 der wird Segen von Jahwe empfangen,

Heil von Gott seinem Helfer.

 

7 Hebt hoch ihr Tore eure Bogen, reckt euch ihr uralten Pforten,

daß der König der Herrlichkeit einziehe!

8 „Wer ist denn der König der Herrlichkeit?“

Jahwe, der Starke und Held, Jahwe, der Held in der Schlacht.

 

9 Hebt hoch ihr Tore eure Bogen, reckt euch ihr uralten Pforten,

daß der König der Herrlichkeit einziehe!

10 „Wer ist denn der König der Herrlichkeit?“

Jahwe Zebaot, er ist der König der Herrlichkeit.

 

XLII

 

2 Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser,

so schreit meine Seele, Gott, nach dir.

3 Meine Seele dürstet nach Gott, dem lebendigen Gott.

Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue?

4 Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht,

weil man täglich mich fragt: „Wo ist nun dein Gott?“

Was betrübst du dich, Seele, bist so ruhlos in mir?

Harre auf Gott! ich werd ihm noch danken, meinem Retter und Gott.

 

XLVI [14]

 

2 Gott ist Zuflucht und Schutz, ein Helfer in Nöten wohl bewährt.

3 Drum fürchten wir uns nicht,

wenngleich Erde wankte und die Berge sänken mitten ins Meer.

4 Mögen brausen und wallen seine Wogen,

vor seinem Ungestüm die Berge zittern!

Jahwe Zebaot ist mit uns, der Gott Jakobs ist unsre Burg.

 

5 Eines Baches Rieseln[15] erfreut die Gottesstadt,

die heilige Wohnung des Höchsten.

6 Gott weilt in ihr, so wankt sie nicht;

Gott hilft ihr, wenn der Morgen naht.

7 Völker tobten, Reiche wankten;

er donnerte drein, da bebte die Erde.

8 Jahwe Zebaot ist mit uns, der Gott Jakobs unsre Burg.

 

9 Kommt und schaut die Taten Jahwes,

10 der den Kriegen steuert in aller Welt;

der Bogen zerbricht, Speere zerspellt

und Schilde im Feuer verbrennt!

11 „Laßt ab und erkennt daß ich Gott bin,

erhaben unter den Völkern, erhaben auf Erden!“

12 Jahwe Zebaot ist mit uns, der Gott Jakobs ist unsre Burg.

 

LI

 

3 Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte,

wisch aus[16] meine Frevel nach deiner großen Barmherzigkeit,

4 wasch ab meine Schuld, reinige mich von Sünde!

5 Denn ich erkenne meine Frevel,

meine Sünde steht mir immerdar vor Augen.

6 An dir allein hab ich gesündigt, getan was dir mißfällt,

damit du Recht behältst mit deinem Spruch

und rein dastehst mit deinem Urteil.

7 Ja, in Schuld bin ich geboren,

meine Mutter hat in Sünde mich empfangen.

11 Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden,

wisch aus all meine Schuld!

12 Schaff in mir, Gott, ein reines Herz,

und gib mir einen neuen festen Geist!

13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht,

nimm nicht von mir deinen heiligen Geist!

15 So will die Frevler lehren ich dein Walten,

damit die Sünder sich zu dir bekehren.

17 Herr, öffne mir den Mund,

laß meine Lippen deinen Ruhm verkünden!

18 Denn Opferblut begehrst du nicht

und an Brandopfern hast du kein Gefallen.

19 Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist;

und ein zerschlagnes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.

 

LXXIII

 

1 Ist Gott auch gütig zu dem Frommen,

zu dem der reinen Herzens ist,

2 so wäre doch mein Fuß Ich beinah gestrauchelt

und ausgeglitten fast mein Schritt.

3 Denn ich beneidete die Prahler, als ich das Glück der Frevler sah.

4 Ja, sie haben keinen Kummer, wohl gemästet ist ihr Wanst,

5 der Menschen Mühsal drückt sie nicht,

nicht leiden sie was andre leiden.

6 Drum ist Hochmut ihr Geschmeide,

umhüllt Gewalttat sie wie ein Gewand.

13 Ich dachte: „Ganz umsonst hielt ich rein mein Herz

und wusch in Unschuld ich die Hände;

14 hat man mich doch geschlagen jeden Tag, gezüchtigt alle Morgen.“

16 Ich grübelte, das zu begreifen; z schwer erschien es mir.

17 Bis ich erkannte Gottes Walten und achtgab auf ihr Ende:

18 Auf schlüpfrigen Boden stellst sie

19 und läßt sie ein Ende nehmen mit Schrecken.[17]

 

21 Als mein Herz verbittert war, der Neid die Nieren mir zerschnitt,

22 da war ich dumm und unvernünftig, wie ein Vieh vor dir.

23 Nun aber bleibe ich stets dir nah;

du hast bei meiner Rechten mich gefaßt,

24 du leitest mich nach deinem Rat,

nimmst mich danach mit Ehren an.

25 Hab ich nur dich, so frage ich nichts nach Erd und Himmel.

26 Wenn mir auch Leib und Seele schwinden,

bist du doch allezeit meines Herzens Trost und Teil.

 

XC

 

2 Eh die Berge geboren wurden und Erde kreißte[18] und Welt

und von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott.

3 Tausend Jahre sind vor dir wie der gestrige Tag, wie eine Nachtwache.

4 Du lässt die Menschen sterben

und sprichst: „Kommt wieder, Menschenkinder!“

5 Du säst sie aus; sie sind wie das Gras,

6 das am Morgen sprießt und wächst, am Abend aber welkt und verdorrt.

10 Unser Leben währt siebzig Jahre und wenns hoch kommt achtzig Jahre,

und das meiste davon ist Mühsal und Plage;

schnell fährt es dahin, als flögen wir davon.

 

7 Wir vergehn aber durch deinen Zorn, welken dahin durch deinen Grimm.

8 Denn du hast unsre Sünden dir vor Augen gestellt,

die verborgnen ins Licht deines Angesichts.

11 Doch wer bedenkt deines Zornes Gewalt, fürchtet sich vor deinem Grimm?

12 Lehr uns bedenken, daß wir sterben müssen, damit wir klug werden!

 

XCI

 

1 Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt,

im Schatten des Allmächtigen ruht,

2 der spricht zum Herrn: „Meine Zuflucht und Burg,

mein Gott, auf den ich traue!“

3 Denn er ists der rettet dich aus der Schlinge des Voglers,

aus Tod und Verderben;

4 mit seinem Fittich bedeckt er dich,

unter seinen Flügeln findest du Zuflucht.

5 Dann fürchtest du nicht das Grauen der Nacht,

nicht den Pfeil der am Tage daherfliegt,

6 nicht die Pest die im Finstern schleicht,

nicht das Fieber, das mittags wütet.

7 Ob tausend fallen an deiner Seite, zehntausend zu deiner Rechten,

so wird es doch dich nicht treffen;

11 denn seine Engel wird er entbieten,

dich zu behüten auf all deinen Wegen;

12 auf ihren Händen solln sie dich tragen,

daß dein Fuß sich nicht stoße an einem Stein;

13 über Schlangen und Nattern wirst du schreiten,

zertreten Löwen und Drachen.

 

CIII

 

1 Lobe den Herrn, meine Seele, mein Innres, seinen heiligen Namen!

2 Lobe den Herrn, meine Seele, vergiß nicht was er dir Gutes getan!

3 der dir all deine Sünde vergibt und heilt all deine Gebrechen,

4 der dein Leben aus der Unterwelt löst,

dich krönt mit Gnade und Erbarmen.

 

6 Der Herr schafft Recht und Gericht allen die Unrecht leiden.

7 Er tat seinen Willen Mose kund, Israels Söhnen sein Walten.

8 Barmherzig und gnädig ist der Herr, langmütig und reich an Güte;

9 er wird nicht immer hadern noch ewig nachtragen;

10 er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden,

vergilt uns nicht nach unsrer Missetat;

11 nein, hoch wie der Himmel über der Erde

schwebt seine Gnade über denen die ihn fürchten;

12 fern, wie der Morgen ist vom Abend,

lässt er unsre Frevel von uns sein;

13 wie sein Vater sich seiner Kinder erbarmt

so erbarmt sich der Herr derer die ihn fürchten.

 

14 Denn er weiß was für Gemächt wir sind,

er gedenkt daran daß wir Staub sind.

15 Des Menschen Tage gleichen dem Gras,

er blüht wie die Blumen des Feldes:

16 geht der Wind darüber, so sind sie dahin

und niemand weiß mehr wo sie gestanden.

17 Doch des Herren Gnade aber währt immer und ewig

für die ihn fürchten

und seine Hilfe bis auf Kindeskind

18 für die die seinen Bund bewahren und treulich sein Gesetz erfüllen.

19 Seinen Thron hat der Herr im Himmel erbaut,

sein Reich umspannt die Welt.

20 Lobt den Herrn, ihr seine Engel,

ihr starken Helden, seines Wortes Vollstrecker!

21 Lobt den Herrn, all seine Heerscharen,

seine Diener, seines Willens Vollstrecker!

22 Lobt den Herrn, all seine Werke an allen Orten seiner Herrschaft!

Lobe den Herrn, meine Seele!

 

CIV

 

1 Herr, mein Gott, du bist sehr groß,

2 mit Pracht und Hoheit angetan, gehüllt in Licht wie in ein Kleid.

Du spanntest aus den Himmel wie ein Zelt,

3 erbautest überm Himmelsmeer[19] dein Haus,

nimmst Wolken als Gefährt, fliegst mit des Windes Flügeln;

4 es sind die Winde deine Boten, dein Diener der flammende Strahl.

5 Du stelltest die Erde auf festen Grund, nun wankt sie nie und nimmer.

6 Die Urflut hüllte sie ein wie ein Kleid,

auf den Bergen standen die Wasser;

7 vor deinem Schelten flohen sie,

von deiner Donnerstimme gescheucht.

9 Schranken, unübersteiglich, hast du gesetzt;

nie dürfen sie wieder die Erde bedecken.

 

10 Quellen lässt du sprudeln in den Tälern,

zwischen Bergen fließen die Bäche;

11 sie tränken die Tiere des Waldes, Wildesel stilln ihren Durst;

12 an den Ufern nisten die Vögel, aus den Zweigen ertönt ihr Lied.

13 Du tränkst die Berge vom Himmel her, deine Wolken sättigen die Erde,

15 damit Wein erfreue des Menschen Herz,

sein Gesicht von Öl erglänze und Brot den Leib stärke.

16 Auch die Bäume des Herrn trinken sich satt,

die Zedern des Libanon die er gepflanzt hat,

17 wo die Vögel ihre Nester baun, die Störche auf den Gipfeln wohnen.

18 Die hohen Berge sind dem Steinbock.

die Felsenkluft dem Klippdachs eine Zuflucht.

 

19 Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen;

es kennt die Sonne ihre Bahn.

20 Machst finster dus und wird es Nacht,

so regen sich die wilden Tiere:

21 die Löwen brüllen nach dem Raub

und fordern ihren Fraß von Gott;

22 bei Sonnenaufgang aber ziehn sie ab,

verkriechen sich in ihre Höhlen.

23 Dann geht der Mensch ans Werk, an seine Arbeit bis zum Abend.

 

24 Herr, wie sind deine Werke so viel,

die du alle mit Weisheit gemacht hast!

Die Erde ist deiner Geschöpfe voll.

25 Da ist das Meer, so groß und weit;

darin unzähliges Gewimmel von großen und kleinen Tieren;

26 da tummelt sich der Lewiatan[20], den du gebildet drin zu spielen.

 

31 Ewig währe des Herren Ruhm, er freue sich all seiner Werke!

32 Blickt er die Erde nur an, so bebt sie;

rührt er die Berge an, stehn sie in Rauch!

 

CX

 

1 Jahwes Spruch an meinen Herrn[21]:

„Setz dich zu meiner Rechten[22],

bis ich mache deine Feinde zum Schemel deiner Füße!“

4 Jahwe hat geschworen – es wird ihn nicht gereuen –:

„Du bist ein Priester für ewig[23] nach Art Melchisedeks[24].“

 

CXXI

 

1 Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen[25];

von wo wird mir Hilfe kommen?

2 Meine Hilfe kommt von dem Herrn,

der Himmel und Erde gemacht hat.

3 Er wird deinen[26] Fuß nicht gleiten lassen;

und der dich behütet schläft nicht.

4 Nein, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.

5 Der Herr behütet dich,

der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,

6 daß dich des Tages die Sonne nicht steche

noch der Mond des Nachts.

 

7 Der Herr behütet dich vor allem Übel,

er behütet deine Seele;

8 der Herr behütet deinen Ausgang und Eingang

von nun an bis in Ewigkeit.

 

CXXVI

 

1 Wenn Jahwe einst wendet Zions Geschick[27],

dann werden wir sein wie die Träumenden;

2 dann wird unser Mund voll Lachens sein,

unsre Zunge voll Jubel;

dann wird man sagen unter den Heiden:

„Jahwe hat Großes an ihnen getan.“

4 Wende, Jahwe, unser Geschick gleich Bächen im Südgau[28]!

5 Die mit Tränen säen werden mit Jubel ernten;

6 weinend geht hin man auszusäen,

jubelnd kommt man heim Garben tragend.

 

CXXVII

 

1 Baut nicht Jahwe nicht das Haus, arbeiten umsonst die Maurer;

hütet nicht Jahwe die Stadt, wachen umsonst die Wächter.

2 Umsonst ists daß ihr früh aufsteht, erst spät euch hinsetzt,

das Brot der Mühsal eßt: den Seinen gibt ers auch so[29].

– – – –

3 Söhne sind ein Geschenk des Herrn, Leibesfrucht Belohnung.

4 Wie Pfeile in Kriegers Hand so die Söhne der Jugendkraft.

5 Wohl dem Mann, der mit solchen seinen Köcher gefüllt hat!

Er braucht nicht zu fürchten die Gegner im Tor[30].

 

CXXX

 

1.2 Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir, hör meine Stimme,

laß achten deine Ohren auf mein lautes Flehen!

3 Behältst du Sünden vor, ach, Herr, wer kann bestehn?

4 Doch bei dir ist Vergebung, damit man dir danke.

 

6 Meine Seele harrt des Herrn

mehr als die Wächter auf den Morgen.

7 Harre, Israel, auf den Herrn!

denn bei ihm ist Gnade und viel Erlösung;

8 er wird Israel erlösen von all seinen Sünden.

 

CXXXIX

 

1 Du erforschest mich, Herr, und kennest mich.

2 Ich sitze oder steh auf, so weißt du es;

durchschaust meine Pläne von ferne;

3 ich geh oder liege, so weißt du es,

vertraut sind dir all meine Wege;

4 es kommt kein Wort kommt auf meine Zunge,

das du nicht schon wußtest.

7 Wo könnte ich hingehn vor deinem Geist,

wohin entfliehn vor deinem Angesicht?

8 Führe ich zum Himmel auf, so bist du da;

hinab in der Unterwelt, bist du auch dort.

9 Nähme ich die Flügel der Morgenröte

und ließe mich nieder am Ende des Meers,

10 so würde auch da deine Hand mich greifen,

deine Rechte mich fassen.

 

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz,

prüf und erfahr wie ichs meine;

24 sieh, ob ich wandle auf falschem Wege,

und führ mich den Weg des Heils!

 

Am 1. Oktober 2018 zuletzt korrigierte Fassung. TA

Erklärungen

[1] Dieses griechische Wort bedeutet „zur Harfe (Psalterion) gesungene Lieder“. Wie Sprüche Prediger und Hoheslied dem nach 1. Könige V 9-14 XI 1-3 weisen und Frauen liebenden Salomo, so ist fast die Hälfte der Psalmen dem nach der Erfindung von 1. Chronik XXV so sehr für den gottesdienstlichen Gesang interessierten Dawid zugeschrieben worden. Doch sind die hierauf bezüglichen Überschriften der einzelnen Psalmen nichts als wertlose Zusätze viel späterer Zeit. Nur innere Gründe können über die zeitliche Ansetzung entscheiden. Aus ihnen ergibt sich mit Wahrscheinlichkeit, daß einige Psalmen von einem Zeitgenossen der Zerstörung Jerusalems, die große Masse der Psalmen aber erst aus der Zeit nach der Babylonischen Gefangenschaft (5.-2.Jh.), davon die letzten aus der Makkabäerzeit.

[2] Sprecher ist ein (wahrscheinlich makkabäischer) König von Jerusalem, gegen den sich unterworfene heidnische Nachbarvölker erhoben haben.

[3] Ehrentitel des israelischen Königs (schon 1. Samuel XXIV 7), der bei seiner Thronbesteigung von einem Priester an heiliger Stätte mit Öl gesalbt wurde. Dann der von Gott gesandte König der Endzeit, den die griechisch sprechenden Juden und Christen mit dem Lehnwort Messias (aus aramäisch Mschicha = Gesalbter) oder mit Christόs, der Übersetzung von Mschicha, bezeichneten. Hier das erstere; siehe Vers 9! Das aramäische Wort für Gesalbter, nämlich Mschicha, wurde von den griechisch sprechenden Juden und Christen als Lehnwort in der Form Messias übernommen oder mit Christόs übersetzt, was von den Heidenchristen als Eigenname angesehen wurde.

[4] So nach der Septuaginta: der hebräische Text lautet: „hab ich doch meinen … meinem ….“.

[5] Am Tage der Salbung und Thronbesteigung.

[6] Dichterisch-kühne Parallele zu „Mein Sohn bist du“. Der Gedanke, daß der König Gottes Sohn sei, ist altorientalisch. Auch Homer nennt die Fürsten „Zeus entsprossen“. Während aber Ägypter und Griechen durchaus an eine leibliche Abstammung denken, hat der Ausdruck „Sohn Gottes“ in Israel immer nur eine geistige Bedeutung gehabt. Vgl. Hosea XI 1, wo Israel, Jeremia XXXI 20, wo Efraim, und 2. Samuel VII 14, wo Dawids Nachkommen so bezeichnet werden.

[7] Die in 8.9 ausgesprochenen Verheißungen, die in umgekehrtem Verhältnis zu der wirklichen Macht der Juden standen, erklären sich aus dem orientalisch überschwänglichen Stil der Thronbesteigungslieder. Der sehnlichste Wunsch des Dichters ist die Weltherrschaft der Juden über die mit eisernem Stabe zerschmetterten Heiden. Mit dieser Hoffnung auf Zerschmetterung der Heiden hat sich später, unter Deutung der Stelle auf die Weltherrschaft des Christos Jesus, mit Hinblick auf das verhaßte Römische Reich und in beträchtlicher Abirrung vom Geiste Jesu (Lukas IX 52-56), auch der christliche Verfasser der Offenbarung des Johannes (II 26 XII 5 XIX 15) getröstet. Auch in Apostelgeschichte XIII 33 und in Hebräerbrief I 5 V 5 ist der Psalm, unter Zitierung von Vers 7, auf Jesus bezogen.

[8] Die Stelle ist verderbt und kaum zu heilen. Luther, der gern einem verderbten oder unverständlichen Text heilsgeschichtliche Bedeutung gibt, übersetzt, der alten syrischen Bibel folgend: „Küsset den Sohn!“, was sprachlich und nach dem Zusammenhang sachlich unmöglich ist.

[9] Im Hebräischen ist wie im Griechischen und Lateinischen die Sonne männlich, der Mond weiblich.

[10] Klage und Hilfeschrei eines der Verzweiflung nahen Frommen. Nach Markus XV 34-37 hat Jesus sechs Stunden nach seiner Kreuzigung laut die Worte „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ gerufen und ist bald danach verschieden. Überhaupt zeigen Einzelheiten der Leidensgeschichte Jesu auffällige Berührungen mit verschiedenen Stellen des Psalms, der mehrfach zitiert wird, und werden daraus erwachsen sein. So das Kopfschütteln (Markus XV 29) und Naserümpfen der Zuschauer (Lukas XXIII 35) aus Vers 8; ihr höhnische Hinweis auf einen Gott, der ihn verlassen, (Matthäus XXVII 43) aus Vers 9; das „mich dürstet“ (Johannes XIX 28) aus Vers 16; das Durchbohren seiner Hände (Johannes XX 20.25.27) und Füße (Lukas XXIV 39) aus Vers 17 (Septuaginta) und die Verteilung seiner Kleider durchs Los (Markus XV 24) aus Vers 19.

[11] Hier hat das Hebräische: „wie der Löwe“, Septuaginta, Vulgata und Luther: „sie haben gegraben“.

[12] Sodaß diese neidisch zusehen.

[13] Vers 3-5 Wallfahrtslied; 7-10 Liturgie beim Einzug der Bundeslade in den Tempel (nach siegreichem Krieg oder bei einer Festprozession).

[14] Der Psalm mag im dritten Jahrhundert v. Chr. gedichtet sein, etwa nach Beendigung der langen und blutigen kriege um das Erbe Alexander d. Gr., während derer außer anderen Städten Palästinas Samaria völlig zerstört wurde, Jerusalem aber wie durch ein Wunder verschont blieb. Andere beziehen den Psalm auf die selige Endzeit und die ihr vorausgehenden furchtbaren Schrecken. Den in der 2. Strophe ausgesprochenen Glauben, daß Jerusalem als Wohnsitz Jahwes uneinnehmbar sei, haben schon Jesaia (VII XXXI 4.5.) und die Heilsprofeten zur Zeit Jeremias (Jeremia XXVI) für ihre Gegenwart, Hesekiel (XXXVIII.XXXIX) und Joel (III.IV) für die Zukunft bzw. Endzeit verkündet. Aus diesem Psalm, besonders aus Vers 2 und dem Kehrvers, ist Lothars Schutz- und Trutzlied des Protestantismus „Ein feste Burg ist unser Gott“ erwachsen.

[15] Vgl. Hesekiel XLVII 1-12!

[16] In dem Buche, wo du sie aufgezeichnet hast.

[17] Die Erfahrung des Dichters, daß die Gottlosen, mögen sie auch noch so lange sich des Glückes erfreuen, doch schließlich ein Ende mit Schrecken nehmen, erhebt ihn im Folgenden zu unerschütterlichem Vertrauen auf Gott. Anders die Theodizee (Gottesrechtfertigung) in der Versdichtung von Hiob Hader mit Jahwe: Hiob hat nicht den Trost gefunden, daß die Gottlosen zuletzt ein Ende mit Schrecken nehmen; im Gegenteil, er hat erfahren, daß sie noch nach ihrem Tode hoch geehrt werden (XXI). Er findet schließlich in der demütigen Erkenntnis der Unerforschlichkeit der Wege des über menschliche Vernunft hoch erhabenen Schöpfergottes seinen Frieden.

[18] Vgl. Hiob XXXVIII 8!

[19] Vgl. 1. Mose I 7.8!

[20] Mythisches Seeungeheuer.

[21] König, Fürsten.

[22] Sei der Höchste nach mir!

[23] Höfischer Stil; vgl. Daniel II 4, III 9!

[24] Melchisedek war nach 1. Mose XIV 18 Priesterkönig von Jerusalem zu Abrahams Zeit. Und so feiert der Psalm die Ernennung eines Fürsten zum Hohenpriester. Das wird sich auf einen der makkabäischen Brüder Jonatan oder Simon beziehen; vgl. 1. Makkabäer X 20, XIII 42!

[25] Zion. Vgl. Daniel VI!

[26] Hier „ist der Wechsel der Person nur noch Stilform“.

[27] Luther: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird“; andere: „Als Jahwe einst wandte …, da waren wir …“.

[28] Im Negeb (südlich vom Gebirge Juda), dessen im Sommer völlig wasserleere Bachbetten sich in der Regenzeit mit Wasser füllen. Seine Fruchtbarmachung ist eines der großen Ziele des heutigen Staates Israel.

[29] Andere: „gibt ers im Schlaf“.

[30] Vor Gericht.

Israel und Juda. Sage und Geschichte, Weisheit und Hoffnung eines Volkes in Selbstzeugnissen. Hg. u. kommentiert von August Möhle (seit 2017 auch als E-Book)