Wein, König oder Weib – wer ist am mächtigsten?

Wein, König oder Weib – wer ist am mächtigsten?

(3. Esra III 1) König Dareios gab einst seinen Dienern, von den Sklaven seines Palastes (2) bis zu den Statthaltern Heerführern und Satrapen der hundertsiebenundzwanzig Provinzen von Indien bis Nubien, ein großes Fest. (3) Sie aßen und tranken; und als sie voll waren, zogen sie sich zurück. Auch Dareios ging in sein Schlafgemach, wachte aber nach kurzem Schlummer wieder auf. (4-13)[1] Da er keinen Schlaf fand, fing er mit seinen drei Leibwächtern ein Gespräch an. Dabei versprach er dem der ihm am nächsten Tage die treffendste Antwort auf seine Fragen geben würde, daß er ein Purpurgewand tragen, aus goldnem Becher trinken, in goldnem Bette schlafen, in einem Wagen mit goldnen Zügeln fahren, einen Turban aus Byssus und eine goldne Halskette tragen, wegen seiner Klugheit auf dem ersten Platz neben dem König sitzen und sein Vetter heißen sollte. Nachdem er ihnen diese Belohnungen versprochen hatte, gab er dem ersten auf von der Macht des Weines zu sprechen, dem zweiten von der Macht des Königs, dem dritten von der Macht der Weiber. Dann begab er sich zur Ruhe. (14) Am nächsten Morgen ließ er die Statthalter Heerführer und Satrapen in den Staatssaal kommen (15) und forderte seine Leibwächter auf, (16) vor den Versammelten sich zu seinen Fragen zu äußern.

Da begann der erste die Macht des Weines zu preisen: (17) „Ihr Männer, wieso der Wein am mächtigsten ist? Allen, die von ihm trinken, verwirrt er den Verstand. Alle macht er gleich: (18) Könige und Waisenknaben, Sklaven und Freie, Bettler und Reiche. (19) Alles verwandelt er in Lust und Fröhlichkeit, lässt Kummer und Schulden vergessen (20) und macht daß jeder sich für den reichsten hält. (21) Freunde und Brüder vergessen, wenn sie von ihm trinken, ihre Freundschaft und zücken die Schwerter; (22) wenn sie aber von ihrem Rausch erwachen, erinnern sie sich nicht mehr an das was sie getan. (23) Ihr Männer, ist nicht der Wein am mächtigsten?“ Als es so gesprochen hatte, schwieg er.

(IV 1) Nun begann der zweite die Macht des Königs zu rühmen: (2) „Ihr Männer, sind nicht die Menschen am mächtigsten? sie unterwerfen sich Erde und Meer und alles was darinnen ist. (3) Der König aber ist der mächtigste von ihnen, sie gehorchen ihm in allem was er befiehlt: (4) Schickt er sie gegen die Feinde, so marschieren sie und bezwingen Berge Mauern und Türme; (5) sie morden und lassen sich morden und wagen nicht dem Befehl des Königs sich zu widersetzen; und wenn sie siegen, bringen sie ihm alle Beute. (6) Die nicht Kriegsdienst tun sondern das Land bebauen bringen nach der Ernte dem König ihre Gaben, ja sie zwingen sich gegenseitig es zu tun. (10) Er aber setzt sich zu Tisch, ißt und trinkt und schläft, (11) während sie für ihn wachen. (12) Ihr Männer, ohne Zweifel ist der König der mächtigste, da ihm solcher Gehorsam geleistet wird!“

(13) Nun begann der dritte, Serubbabel: (14) „Ihr Männer, der König ist groß und der Wein ist mächtig; aber sind nicht die Weiber noch mächtiger? (15) Weiber haben den König geboren (16) und die Winzer die die Weinberge pflanzen und den Wein keltern. (17) Sie fertigen unsre Kleider und besorgen unser Hauswesen; ohne sie können wir nicht leben. (18.19) Gold und Silber und alle Kostbarkeiten geben wir gern dahin, wenn wir ein schönes Weib erblicken, um in den Genuß seiner Reize zu gelangen. (23) Wir greifen zum Schwert, befahren Meere und Ströme, rauben und morden (24) und kämpfen mit dem Löwen, um die Beute der Geliebten zu bringen. (26) Ja, viele sind durch die Weiber um ihre Verstand gekommen und ihre Sklaven geworden, (27) viele ins Unglück geraten und zu Verbrechern geworden um ihretwillen. (28) Der König ist groß durch seine Gewalt, alle Welt hütet sich ihn anzurühren; (29) und doch sahen wir wie einst Apame, seine Geliebte, zu seiner Rechten saß, (30) ihm das Diadem vom Haupte nahm, es sich selbst aufsetzte und mit der Linken dem König einen Backenstreich gab, (31) der König aber mit offnem Munde dasaß und sie anstaunte! Wenn sie ihn anlacht, so lacht er; wenn sie schmollt, so schmeichelt er ihr, damit sie ihm wieder gut werde. (32) Ihr Männer, sind nicht die Weiber am mächtigsten?“

(41) Als Serubbabel seine Rede beendet hatte, riefen alle, er habe am besten gesprochen. (42) Und der König sagte: „Bitte dir aus was du willst! mehr als ich versprochen will ich dir geben.“ (43) Da antwortete Serubbabel: „Gedenke des Gelübdes das du getan, als du König wurdest! Du gelobtest, Jerusalem wieder aufzubauen (45) und den Tempel, den die Edomiten in Brand steckten, als Juda von den Chaldäern verwüstet wurde, (44) und die heiligen Geräte dorthin zurückzusenden. (46) Erfülle jetzt dies Gelübde, das du dem Könige des Himmels gelobt hast!“ (47) Da erhob sich der König, küßte ihn und schrieb an die Statthalter Heerführer und Satrapen, sie sollten ihm und denen, die mit ihm nach Jerusalem ziehn würden, freies Geleit geben. (48) Auch gab er den Statthaltern in Fönizien und im Libanon Befehl, Zedern vom Libanon nach Jerusalem zu schaffen und beim Wiederaufbau der Stadt zu helfen. (51) Ferner befahl er, für den Bau des Tempels bis zu seiner Vollendung jährlich zwanzig (52) und für den Opferdienst jährlich zehn Talente auszuzahlen (57) und alle heiligen Geräte nach Jerusalem zurückzuschicken.

(58) Als Serubbabel hinausgegangen war, erhob er sein Gesicht in Richtung auf Jerusalem zum Himmel, pries den König des Himmels und sprach: (59) „Von dir kommt der Sieg, von dir die Weisheit. Dein ist die Ehre, ich bin nur dein Knecht. (60) Gepriesen seist du der mir Weisheit gab!“

Erklärungen

[1] Die Verse 4-13 nach Josefos’ Jüdische Altertümer XI 3.