Einleitung

e) Erstarrung und Vitalität

Wie Gunter Martens in seiner grundlegenden Arbeit über den Zusammenhang von Vitalis­mus und Expressionismus[1] an fünf exemplarisch ausgewählten Autoren gezeigt hat, gehört zu den Schlüsselbegriffen expressionistischer Kulturkritik der des »Lebens«. Er fungierte als po­sitiver Gegenbegriff zu der als lebensfeindlich kritisierten Wilhelminischen Gesellschaft. Wie mit seinem Jugendkult (s. o. S. 144) nahm der Expressionismus auch mit dem Lebenskult be­reits um 1910 trivialisierte Tendenzen der Jahrhundertwende auf und versuchte sie in einer meist radikal subjektbezogenen, anarchistisch gefärbten Weise zu regenerieren. Das vorn Ex­pressionismus in der Nachfolge vor allem Friedrich Nietzsches und Henri Bergsons und in par­tieller Gleichzeitigkeit zu den späteren sozial philosophischen Schriften Georg Simmels verherr­lichte Prinzip des Lebens war charakterisiert durch Bedeutungsmerkmale wie bewegt (vs. er­starrt), unruhig und chaotisch (vs. geordnet), schöpferisch und aktiv (vs. unproduktiv und rezep­tiv), sprunghaft (vs. kontinuierlich oder einer Kausallogik folgend), spontan (vs. berechnet, überlegt), emotional intensiv (vs. rational distanziert), naturhaft (vs. kulturabhängig), unendlich (vs. begrenzt), ganzheitlich (vs. isoliert). [196]