I.5. Autor

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5. Autor

Als ›Autor‹ bezeichnet man den Verfasser von Texten aller Art. Das lateinische Wort auctor wird etymologisch auf augere (etwas entstehen lassen, vergrößern) zurückgeführt und steht darüber hinaus in engem Bezug zu auctoritas (Glaubwürdigkeit, Einfluss, Vorbild).

Im deutschen Sprachraum ist ›auctor‹ Ende des 15. Jh.s zum ersten Mal belegt, der Begriff ›Autor‹ setzte sich jedoch erst Ende des 18. Jh.s auf breiterer Basis durch und trat neben die aus dem Mittelhochdeutschen stammende Bezeichnung ›Dichter‹, die im 18. Jh. gegenüber dem Begriff ›Poet‹ zunehmend favorisiert wurde. Zu dieser Zeit wurde auch das ältere ›Scribent‹ (Schreiber) durch ›Schriftsteller‹ ersetzt. Obgleich der Begriff ›Autor‹ als übergeordnete Bezeichnung angesehen werden kann, wird er im literaturwissenschaftlichen Bereich zumeist auf den Verfasser literarischer Texte beschränkt und ist insofern das neutrale, ohne die Konnotation eines ästhetischen Werturteils auskommende Äquivalent für ›Dichter‹.

Der Autor spielt in der Literaturwissenschaft als ›Urheber‹ ihres eigentlichen Gegenstandsbereiches, des literarischen Textes, eine in vielerlei Hinsicht zentrale Rolle, deren Relevanz im Rahmen verschiedener Theorien und Methoden jedoch unterschiedlich beurteilt wird. Im ausgehenden 19. Jh. hatte die biografische Methode, die den Autor zur wesentlichen Bezugsgröße der Interpretation erklärt, durch den starken Einfluss einer vorrangig biografisch interessierten Goethephilologie und des wissenschaftlichen Positivismus eine zentrale Stellung in der Literaturwissenschaft erlangt. Schon Anfang des 20. Jh.s kam es zu angeregten methodischen Diskussionen, in denen dem – nun pejorativ verstandenen – ›Biografismus‹ eine neue Aufmerksamkeit auf das Kunstwerk selbst gegenübergestellt wurde, das anhand seiner ästhetischen Qualitäten gleichsam von ›innen‹ heraus zu erklären sei. Im Laufe des 20. Jh.s lassen sich dann vier entscheidende Schwächungen der Autorrelevanz in der Literaturwissenschaft verzeichnen (vgl. zum Folgenden Jannidis/Lauer/Martinez/Winko 1999, 11–15):

1. Der 1946 von William K. Wimsatt und Monroe C. Beardsley im Kontext des New Criticism veröffentlichte Aufsatz »The Intentional Fallacy« wandte sich gegen den sog. ›intentionalen Fehlschluss‹, bei dem die Bedeutung eines Textes mit den Absichten des Autors gleichgesetzt wird. Wimsatt und Beardsley vertreten die Meinung, dass die literarische Darstellung von Autorintentionen entweder erfolgreich und damit am Text ablesbar sei oder misslinge, dann aber auch als irrelevant für die Deutung des Textes angesehen werden müsse. Ein literarischer Text interessiere (zumindest in der Literaturwissenschaft und -kritik) nicht als biografisches Dokument, sondern als ästhetisches Produkt, dessen Bedeutung textintern ermittelt werden sollte.

2. Die Unterscheidung zwischen Autor und Erzähler, die schon Käte Friedemann in ihrer Studie Die Rolle des Erzählers in der Epik (1910) getroffen hatte, wurde in den 1950er Jahren von Käte Hamburger (Die Logik der Dichtung, 1957) und Wolfgang Kayser (Wer erzählt den Roman?, 1957) als Standard für die Erzähltextanalyse etabliert. Ob- gleich Kayser damit »den Autor als Bezugsbegriff der Interpretation […] – anders als es bei Wimsatt und Beardsley geschieht – keineswegs außer Kraft« setzt (ebd., 12), wird die Relevanz des Autors für die Interpretation erzählender Texte doch insofern eingeschränkt, als die Aussagen des Erzählers aufgrund einer ontologischen Differenz zwischen außertextueller Welt und Fiktion nicht mehr mit den Meinungen und Ansichten des Autors gleichgesetzt werden können.

3. Wayne C. Booth führte im Jahr 1961 den Begriff des ›implied author‹ in die Literaturwissenschaft ein, der zwischen dem Erzähler und dem realen Autor eines Textes anzusiedeln sei. Auch wenn das Konzept des impliziten Autors weiterhin den Begriff ›Autor‹ und damit – durchaus problematische – anthropomorphisierende Implikationen enthält, schwächt es die Relevanz des realen Autors für die Textinterpretation, da der implizite Autor ein vom Text erzeugtes Konstrukt meint.

4. Die These vom ›Tod des Autors‹ schließlich, wie sie Ende der 1960er Jahre von Roland Barthes in seinem gleichnamigen Essay und von Michel Foucault in seinem Vortrag ›Was ist ein Autor?‹ auf unterschiedlichen Wegen postuliert wurde, stellte den wirkungsmächtigsten Angriff auf den Autor als zentrale Bezugsinstanz der Interpretation dar. Roland Barthes erklärte einerseits in Zuspitzung des strukturalistischen Paradigmenwechsels, andererseits in emphatischem Anschluss an Nietzsches subjektkritische Philosophie (und die Proklamation des ›Todes Gottes‹) den Autor für überlebt. Dagegen setzte er sowohl die Autonomie und Eigendynamik des literarischen Textes in seinen vielfältigen Bezügen zu anderen Texten als auch die Instanz des Lesers als bedeutungsgenerierende Größe. Michel Foucault lenkte die Aufmerksamkeit auf die Funktionen, die die Kategorie ›Autor‹ (historisch) erfüllt hat, und entwarf die Utopie eines ›autorlosen‹ Diskurses. […]

Leseprobe aus  dem Handbuch Literaturwissenschaft. Sie können den Handbuch-Artikel nach Anklicken der Zeile „Leserbrief schreiben“ rechts unten auf dieser Seite kommentieren.