Dawid und Abigail

Dawid und Abigail

(1. Samuel XXVI) Danach zog Dawid hinab in die Wüste Maon. (2) Dort lebte ein Mann, der besaß dreitausend Schafe und tausend Ziegen. Er war gerade in Karmel[1] zur Schafschur. (3) Der Mann hieß Nabal und seine Frau Abigail. Die Frau war klug und sehr schön, der Mann aber roh und bösartig.

(4) Als Dawid erfuhr daß Nabal Schafschur hielt, (5) sandte er zehn seiner Männer hin mit dem Auftrag: „Bestellt Nabal von mir: (6) Heil dir und deinem Hause und allem was dein ist! (7) Ich habe gehört daß du Schafschur hältst. Nun haben wir deinen Hirten, solange sie bei uns waren, nie etwas zuleide getan, und nie ist ihnen etwas abhanden gekommen. (8) Frag nur deine Leute! sie werden dirs bestätigen. Darum zeig dich gütig gegen meine Männer! sind wir doch zu einem Festtag erschienen.“

(9) Als die Männer zu Nabal gekommen waren und ihren Auftrag ausgerichtet hatten, (10) antwortete dieser: „Wer ist Dawid und wer der Sohn Isais? Heutzutage gibt es genug Knechte, die ihren Herren davonlaufen! (11) Soll ich men Brot, meinen Wein und das Vieh, das ich für meine Scherer geschlachtet, an hergelaufenes Volk verteilen?“

(12) Inzwischen hatte einer von Nabals Knechten dessen Frau Abigail berichtet: „Dawid hat Boten aus der Wüste geschickt, unsern Herrn zu begrüßen; der aber hat sie angefahren. (15) Und doch sind die Männer sehr freundlich gegen uns gewesen. (16) Sie waren wie eine Mauer um uns Tag und Nacht, solange wir in ihrer Nähe die Schafe hüteten. (17) Überleg nun was zu tun ist! denn unserm Herrn und seinem ganzen Hause droht Verderben. Er ist aber zu bösartig, als daß man mit ihm darüber reden könnte.“ (18) Da nahm Abigail schnell zweihundert Brote, zwei Schläuche Wein, fünf zubereitete Schafe, fünf Scheffel geröstetes Korn, hundert getrocknete Trauben und zweihundert Feigenkuchen, lud alles auf Esel (19) und befahl ihren Knechten: „Geht voran! ich folge euch.“ Ihrem Mann aber sagte sie nichts davon.

(20) Als sie nun, vom Berge verdeckt, auf ihrem Esel hinabritt, stieß sie plötzlich auf Dawid und seine Männer. (21) Dawid dachte gerade: „Rein umsonst hab ich diesem Kerl all seine Habe in der Wüste bewacht, nichts ist ihm abhanden gekommen; nun hat er mir Gutes mit Bösem vergolten! (22) Gott strafe mich, wenn ich bis zum Morgen von allem was ihm gehört auch nur ein Männliches am Leben lasse!“ (23) Als nun Abigail Dawid erblickte, stieg sie schnell vom Esel, (24) fiel ihm zu Füßen und sagte: „Herr, erlaube deiner Magd, mit dir zu reden! (25) Kümmre dich doch nicht um diesen nichtswürdigen Menschen, den Nabal! denn wie er heißt so ist er.[2] Ich aber, deine Magd, habe die Männer, die du gesandt hast, nicht gesehen. (27) Und nun möge dies Geschenk, das deine Magd mitgebracht hat, deinem Gefolge gegeben werden! (28) Sicher wird Jahwe dir ein dauerndes Haus bauen, weil du Jahwes Kriege[3] führst und kein Unrecht sich an dir finden wird. (30) Wenn dann Jahwe dich zum Fürsten über Israel bestellt, (31) so wirst du frei sein von Gewissensbissen über unschuldig vergossenes Blut.“ (32) Da sagte Dawid: „Gelobt sei Jahwe, der Gott Israels, der dich mir entgegengesandt hat! (33) Und gesegnet deine Klugheit und gesegnet du selbst, die du mich heute vor Blutschuld und Selbsthilfe bewahrt hast! (34) Denn so wahr Jahwe lebt: wärst du mir nicht sofort entgegengeeilt, so wäre dem Nabal bis zum Morgen nichts Männliches am Leben geblieben.“ (35) Dann nahm Dawid was sie ihm mitgebracht hatte in Empfang und sagte: „Du kannst unbesorgt heimkehren.“

(36) Als Abigail zu Nabal kam, hielt dieser gerade ein Gelage wie ein König; er war guter Dinge und schwer betrunken. (37) So erzählte sie ihm erst am Morgen, als er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, was geschehen war. Da erstarb ihm das Herz im Leibe, und er wurde wie Stein; (38) nach zehn Tagen aber schlug ihn Jahwe, daß er starb.

(39) Als Dawid hörte daß Nabal tot sei, sandte er Boten an Abigail mit dem Auftrag: (40) „Dawid hat uns zu dir gesandt, um dich als seine Frau heimzuführen.“ (42) Da machte sich Abigail sofort fertig, bestieg ihren Esel, folgte, von fünf Mägden begleitet, den Boten und wurde Dawids Frau.

(44) Saul hatte inzwischen seine Tochter Michal, Dawids Frau, einem andern Manne gegeben.

Erklärungen

[1] Maon und Karmel am Westrand der Wüste Juda südlich Hebron.

[2] Nabal bedeutet Tor.

[3] Jahwes Kriege sind Israels Kriege, Israels Feinde Jahwes Feinde (XXX 26, Richter V 31), bis die Profeten angesichts des Zusammenbruchs Israels den nationalen Kriegsgott Jahwe zum Weltgott erhoben.