Gideons Ende. Abimelechs Gewaltherrschaft und Tod. Jotams Fabel

Gideons Ende. Abimelechs Gewaltherrschaft und Tod. Jotams Fabel

(Richter VIII 30) Gideon hatte siebzig eigene Söhne; denn er hatte viele Frauen. (31) Auch seine Kebse in Sichem hatte ihm einen Sohn geboren, dem er den Namen Abimelech gegeben hatte. (32) Als Gideon in hohem Alter starb, wurde er im Grabe seines Vaters Joas zu Ofra begraben.

(IX 1) Da ging Abimelech nach Sichem zu den Brüdern seiner Mutter und sagte: (2) „Fragt doch die Bürger von Sichem: Was ist besser für euch? Daß siebzig Männer über euch herrschen oder daß ein Mann über euch herrscht? Bedenkt auch daß ich von eurem Fleisch und Bein bin!“[1] (3) Da trugen die Brüder seiner Mutter seine Sache den Bürgern von Sichem vor; und ihre Herzen neigten sich Abimelech zu, denn sie dachten: Er ist unser Stammesgenosse. (4) Sie gaben ihm siebzig Silberlinge aus dem Tempel des Bundesbaal; damit warb Abimelech ein Gefolge nichtsnutziger und frecher Burschen. (5)  Dann ging er in seines Vaters Haus nach Ofra und ermordete seine Brüder, siebzig Mann, in einem Abtun. Nur Jotam, der jüngste, blieb am Leben, denn er hatte sich versteckt.

(6) Darauf versammelten sich die Bürger von Sichem und machten Abimelech zum König. (7) Als Jotam dies erfuhr, stieg er auf den Gipfel des Garizim[2] und rief: „Hört mich ihr Bürger von Sichem, damit Gott euch höre!

Einst gingen die Bäume hin, sich einen König zu salben,
und sagten zum Ölbaum: Sei unser König!

Doch der Ölbaum sprach:
Soll ich mein Fett lassen, das Götter und Menschen ehren,
und hingehn, um über den Bäumen zu schweben?

Da sagten die Bäume zum Feigenbaum: Komm, sei du unser König!

Doch der Feigenbaum sprach:
Soll ich meine Süße lassen, meine köstliche Frucht
Und hingehn, um über den Bäumen zu schweben?
Da sagten die Bäume zum Weinstock: Komm, sei du unser König!

Doch der Weinstock sprach:
Soll ich meinen Most lassen, der Götter und Menschen erfreut,
und hingehn, um über den Bäumen zu schweben?

Da sagten die Bäume zum Dornbusch: Komm, sei du unser König!

Und der Dornbusch sprach:
Wollt ihr wirklich mich salben zu eurem König,
so kommt und legt euch in meinen Schatten!
Wo nicht, wird Feuer ausgehn vom Dornbusch
Und verzehren die Zdern des Libanon.

(21) Darauf floh Jotam.

(22) Als Abimelech drei Jahre über Israel geherrscht hatte, (23) säte Gott Zwietracht zwischen ihm und den Bürgern von Sichem, (24) um den Frevel zu rächen, den sie an den siebzig Söhnen Gideons begangen hatten. (25) Und die Bürger von Sichem legten Wegelagerer auf die Höhen der Berge; die raubten jeden aus, der auf der Straße an ihnen vorüberzog. (27) Als sie die Weinlese gehalten und gekeltert hatten, feierten sie ein Freudenfest, gingen in den Tempel ihres Gottes, aßen und tranken und schimpften auf Abimelech. (25 c) Dies alles wurde Abimelech gemeldet. (34) Da zog er mit all seinen Männern gegen Sichem, (45) griff die Stadt den ganzen Tag über an und nahm sie ein. Ihre Bewohner machte er nieder, die Stadt selbst zerstörte er und streute Salz darauf.

(50) Darauf zog Abimelech gegen Tebez, belagerte es und nahm es ein. (51) Mitten in der Stadt aber stand ein fester Turm; dorthin flohen alle Bewohner. (52) Abimelech griff den Turm an; doch als er sich seinem Tore näherte, um es in Brand zu stecken, (53) warf eine Frau ihm einen Mühlstein[3] auf den Kopf und zerschmettere ihm den Schädel. (54) Schnell rief er seinen Waffenträger und befahl ihm: „Zieh dein Schwert und gib mir den Rest, damit es nicht von mir heißt: Ein Weib hat ihn getötet!“ Da durchbohrte ihn sein Waffenträger, und er starb. (56) So vergalt Gott Abimelech den Frevel, den er durch die Ermordung seiner siebzig Brüder begangen hatte.[4]

Erklärungen

[1] Sichem war damals wohl noch eine überwiegend kanaanitische Stadt.

[2] Berg im Süden von Sichem.

[3] Den oberen Stein („Wagen“) der Handmühle.

[4] Abimelech „war eine Figur aus dem Holz, aus dem Könige schnitzt werden können“ (Wellhausen). Infolge seines frühen Todes war es mit dem Königtum des Stammes Manasse zu Ende.