I.7.5 Elektronische und digitale Medien

Leseprobe

Von Roberto SimanowskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Roberto Simanowski

7.5 Elektronische und digitale Medien

Medienbegriffe

Aus einer technologiezentrierten Perspektive werden vier Medientypen unterschieden: Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartiärmedien (vgl. Faulstich 2004; Halbach/Faßler 1998). Hinter der Zählung steckt das Maß an beanspruchter Technik. Die Primärmedien kommen ohne jeglichen Einsatz von Technik aus: Gestik, Mimik, Sprache, Gesang, Tanz und Theater. Die Sekundärmedien benötigen Technik zur Produktion, wie im Falle des Buches und der Zeitung, die Tertiärmedien auch für die Rezeption (Schallplatte, Videokassette). Die Quartiärmedien schließlich benötigen den Technikeinsatz sowohl zur Produktion und Rezeption als auch zur Distribution; in diesem Falle wird der Raum zwischen Sender und Empfänger nicht mehr durch das Medium durchquert, sondern im Medium. Dies ist der Fall bei den elektronischen und digitalen Medien, womit generell Radio und Fernsehen sowie Computer und Internet gemeint sind. Die Begrifflichkeit ist allerdings irreführend, da auch die auf dem digitalen Code beruhenden Medien elektronisch sind (was oft zu Gleichsetzungen führt), während nicht alle elektronischen Medien notwendig digital sind (Radio). Die technologiezentrierte Perspektive versteht Medium als Kanal bzw. Speicher, der die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger ermöglicht. Beispiele dafür sind Wand, Papyrus, Buch, Zeitung, Bild, Plakat, CD, DVD, Radio, Fernseher und Computer.

Die Frage nach den Inhalten von Kanal und Speicher führt zum zeichentheoretischen Medienbegriff, aus dessen Perspektive ein Medium eine spezifische Ausdrucksweise darstellt, wie etwa Sprache, Bild, Ton oder Tanz. Hier ist zu unterscheiden zwischen den semiotischen Systemen der Sprache und des Visuellen. Die Sprache beruht auf diskreten, an sich schon bedeutungstragenden, im Wörterbuch aufgeführten Elementen (Lexeme) und kann deklarieren (›diese Landschaft ist schön‹). Visuelle Äußerungen (Form, Farbe) dagegen nehmen erst in ihrem kompositorischen Zusammenhang Bedeutung an und können ›nur‹ illustrieren (eine Landschaft zeigen, die möglicherweise von vielen als schön empfunden wird).

Die zeichentheoretisch bestimmten Medien sind nicht eindeutig den technologisch bestimmten zugeordnet. Sprache kann über alle oben genannten Kanäle vermittelt werden, was selbst für ihre schriftliche Form gilt, wie experimentelle Text- Filme zeigen. Abgesehen von CD und Radio können auch visuelle Zeichen in allen genannten Kanälen transportiert werden. Die elektronischen und digitalen Medien sind durch ihre Audiovisualität in semiotischer Hinsicht multi-medial, das Internet ist es selbst in technologischer.

Internet

Der Plural des Begriffs ›digitale Medien‹ kann sowohl im Sinne der Tertiärmedien wie der Quartiärmedien verstanden werden. Diskette, CD-ROM, DVD und Computer-Festplatte sind digitale Speichermedien, deren Rezeption Technik erfordert. Die verschiedenen Vernetzungs- und Software-Systeme des Internet (E-Mail, Usenet, Internet Relay Chat, WWW) erfordern die digitale Technologie auch zur Distribution. Da im Internet bzw. im Browser-basierten WWW sowohl Bücher, Zeitungen und Zeitschriften als auch Radio- und Fernsehsender, Musik- und Videobörsen und das Telefon ihren Ort haben, handelt es sich hier um einen Medienverbund, in dem nicht nur »alle bisherigen Einzelmedien [...] gleichgeschaltet werden, sondern darüber hinaus auch [...] alle Sinne angesprochen werden können und sollen« (Halbach 1998, 276). [...]

Leseprobe aus  dem Handbuch Literaturwissenschaft. Sie können den Handbuch-Artikel nach Anklicken der Zeile „Leserbrief schreiben“ rechts unten auf dieser Seite kommentieren.