6.5.2017 – Das Lachen der gelben Engel

Am Nachmittag haben mich die Stare glücklich gemacht. Alle sind wieder da! Pausenlos tragen sie etwas ins Häuschen, manchmal hüpfen sie suchend und pickend vor meinem Fenster herum, und sobald sie etwas im Schnabel haben, heben sie ab und bringen es dorthin. Ich höre dann ein vielstimmiges Kreischen. So muss das Leben sein. Darin gibt es auch stundenlange Pausen.
Warum habe ich mir bloß solche Sorgen gemacht. Hab ich das gebraucht? Die Stare offenbar nicht. Ich werde meinen Freund, den Oberförster, fragen müssen, wie das genau vor sich geht mit den Eiern und dem Brüten und dem Aufziehen. Warum der Oberförster Oberförster heißt, kommt nicht nur daher, dass er alles über Wälder, Wiesen und Vögel weiß, sondern von Pucki, der Lektüre meiner frühen Jahre. Auch so ein Vorbild: als die Mutter an etwas denkt, das sie selbst für sich tun könnte, ist drei Seiten später ein Kind schwer krank. Bei Pucki ist der Oberförster mir als Puckis Vater zum ersten Mal begegnet und – geblieben. Nun muss mein Oberförster mir das mit den Staren erklären.
Dann kann ich mir etwas anderes suchen, um mir Sorgen zu machen.

Ich nehme das Rad, um zum Zahnarzt zu fahren und nachschauen zu lassen, ob das Loch sich schließt, das der Zahn hinterlassen hat. Der Arzt wirft einen kurzen Blick in meinem Mund und sagt: geschenkt! Schönen Tag noch und ich bin weg.
Auf dem Feldweg zwischen Altenheim und meinem Garten überhole ich einen Mann im Elektrorollstuhl, der einen gelben Anorak an hat.
Aber nein, ich bin nicht in Benin, meiner zweiten Station in Westafrika nach Ouagadougou in Burkina Faso, ich bin in Bayern.
Und auf einmal ist es da:

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Aus Heide Tarnowski: überallundnirgends. 2017 mit 74 – Ein Tagebuchroman. Sonderausgabe von literaturkritik.de im Verlag LiteraturWissenschaft.de