Der Dringenberger Kreis ‒ ein Zusammenschluss undogmatischer linker Literaturwissenschaftler 1978‒1998

Von Hans Peter HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hans Peter Herrmann

 

Der Dringenberger Kreis war eine lockere Verbindung von linken und linksliberalen Literaturwissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen Westdeutschlands, seit 1990 auch Ostdeutschlands. Sie trafen sich von 1978 bis 1998 zuerst auf Burg Dringenberg bei Höxter in Westfalen, später auch an verschiedenen anderen Orten. Die Themen dieser Tagungen waren die fachliche, institutionelle und persönliche Situation der Teilnehmer*innen an ihren jeweiligen germanistischen Instituten, der Zustand und die Reform des Faches Germanistik und die allgemeine Situation der mit der 68er-Revolte eingeleiteten und inzwischen steckengebliebenen Hochschulreform in der BRD. Eine Besonderheit der Diskussionen (meist nur mit kurzen Referaten eingeleitet) war ein fester Programmpunkt je Tagung für ausführliche Gespräche über hochschuldidaktische und gruppendynamische Erfahrungen und Experimente der Beteiligten mit dem Ziel, die eigene Hochschullehrerrolle mit ihrer autoritären Grundstruktur kritisch zu reflektieren und Formen eines forschenden Lernens zu entwickeln, die die akademische Lehre vom Grundstudium an bestimmen sollten.

Den Anstoß zu den Treffen hatte 1977 die Entlassung von Peter Brückner in Hannover durch den Niedersächsischen Kultusminister gegeben, ein staatlicher Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, der zusammen mit dem „Deutschen Herbst” die Situation und das Selbstverständnis linker Wissenschaftler*innen an den Hochschulen grundlegend veränderte.

Zu den im Prinzip jährlichen Tagungen jeweils von Freitagabend bis Sonntagnachmittag kamen zwischen ca. 20 und 40 Teilnehmer*innen aus bis zu 15 Hochschulen.

1987 gründete die Gruppe einen eigenen Verein, den „Dringenberger Kreis zur Förderung der Wissenschaft e. V.”, um die ihm angehörenden entlassenen Privatdozenten mit jährlichen Beiträgen der Vereinsmitglieder finanziell zu unterstützen.

2001 hat sich der Verein aufgelöst; die jährlichen Tagungen hatten schon länger nur noch sporadisch stattgefunden.

 

Hans Peter Herrmann, April 2020