2. Denkmalschutz

Nicht nur befand sich das Grundstück in einer Hanglage, es lag zwischen zwei bereits bebauten Parzellen, so dass die Benutzung von Baukränen auf der schmalen Straße unmöglich war und alle Grabenarbeiten nur per Hand durchgeführt werden konnten. Das war zwar in der Kalkulation des Baupreises berücksichtigt, verlängerte aber um einige Wochen die Dauer der Vorbereitungen für das Fundamentlegen.

Robert und seine Frau Ilse verfolgten ab und zu von der Straße aus die Grabenarbeiten. Es war ja das erste Mal, dass sie sich in so ein Abenteuer gestürzt und bei der Bank eine Anleihe gemacht hatten, die sie frühestens in zwanzig Jahren gänzlich zurückzahlen könnten und das nur unter der Voraussetzung, dass sie beide ihre Arbeitsplätze behalten würden, was wegen der chronischen Wirtschaftskrise einem robusten Optimismus entsprach. Der Bauunternehmer hatte die Dauer der Grabenarbeiten auf zwei Monate geschätzt und in der Tat, nach acht Wochen schien das Graben beendet zu sein, denn man hörte nicht mehr das Schaufeln und man sah auch keine Arbeiter auf dem Gelände. Da sich die Baufirma nicht gemeldet hatte, vermutete Robert, dass alles wie geplant lief, man keine Überraschungen erlebt und festen Boden erreicht hatte. In dieser Hinsicht beruhigt, entschieden sich Robert und Ilse, ihren längst geplanten Urlaub anzutreten, aber als sie nach vier Wochen zurück waren, fanden sie in ihrer Post einen Brief ihres Bauunternehmers, der ihnen mitteilte, dass das städtische Bauamt aus „Denkmalschutzerwägungen“ einen sofortigen Baustopp angeordnet hatte. In der beigelegten Kopie der Anordnung fand er noch die Bemerkung: „Ausführliche Begründung wird nachgereicht“.




Aus dem Roman „Tagebuch eines Denkcomputers“ von Richard M. Weiner (Fortsetzung des 2014 erschienenen Romans „Aufstand der Denkcomputer“)