Stimmen aus dem Ausland

Österreich, Schweiz, Frankreich, England, USA

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Der deutsche Streit um Christa Wolf, deren Werke in viele Sprachen übersetzt sind, wurde bald auch von der ausländischen Presse wahrgenommen und zum Teil ausführlich kommentiert. So wie sich später in der Golfkrieg-Debatte die Gegner der deutschen Friedensbewegung auf die Stimmen aus dem Ausland beriefen, um ihre Position zu stützen und die „provinzielle Zurückhaltung“ des vereinten Deutschland in der internationalen Allianz gegen Saddam Hussein zu kritisieren, so stützten sich im Literaturstreit umgekehrt die attackierten Intellektuellen und Verteidiger Christa Wolfs im gleichen Tenor auf Reaktionen außenstehender Beobachter.

Beendete Herbert Riehl-Heyse am 4./5. August 1990 in der Süddeutschen Zeitung seine Reportage über die Auseinandersetzung mit der DDR-Literatur noch mit dem Ruf nach ein „paar internationalen Ringrichtern“, so konnte Lothar Baier in seinem Aufmacher zur Buchmessenbeilage vom 2./3. Oktober 1990 in derselben Zeitung schon die Resonanz aus Frankreich und Italien auf den Streit in die Debatte werfen: Diejenigen, die mit ihren Angriffen auf die Autorin den Streit entfachten, „haben sich und damit die gesamte deutsche Literaturszene jenseits der Grenzen, in jenem Europa, das einem angeblich so nah und wichtig ist, der Lächerlichkeit preisgegeben“. Baier beruft sich auf das hohe Ansehen, das Christa Wolf bei ihren zahlreichen Lesern im Ausland genieße und das sie nicht irgendwelchen innerdeutschen Rücksichtnahmen, sondern allein ihren literarischen Qualitäten verdanke. „Und wenn Christa Wolf im September 1990 in Italien mit dem Mondello-Preis und in Frankreich mit dem hochoffiziellen Offiziersrang ,des Arts et des Lettres‘ ausgezeichnet wurde, so muß jemand schon ein verdammt dickes Fell haben, um in den Auszeichnungen nicht die Ohrfeige zu verspüren, die damit den Helden des ,deutschen Literaturstreits‘ verabreicht wurde.“ Mit der staatlichen Vereinigung gehe in der deutschen Literaturszene eine merkwürdige Tendenzwende einher: „Je größer das Land äußerlich wird, desto provinzieller nimmt sich sein literarisches Leben aus.“ Auch Reinhard Baumgart hielt in einem späten Beitrag zum Literaturstreit, seiner vom Bayerischen Rundfunk am 9. Juli 1991 gesendeten Antrittsvorlesung an der TU Berlin, den deutschen Debattenbeiträgen, die sich auf Was bleibt kaum eingehender einließen, entgegen, „wie sorgfältig, nachdenklich auf diese Erzählung von Christa Wolf in Wien oder Zürich, in London oder New York reagiert werden konnte, fern von den querelles allemandes“.

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