Ach, ihr süßen Wessis

Von Martin AhrendsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Ahrends

Man schießt sich auf Christa Wolf ein; ich halte dagegen. Frank Schirrmacher in der FAZ zum 2. Juni, Ulrich Greiner in der Zeit vom 1. Juni unternehmen den Versuch, Christa Wolf mit ihrer jüngst erschienenen Erzählung „Was bleibt“ zu erledigen. „Machtgeschützte Verlogenheit, Mangel an Aufrichtigkeit“ lesen wir da; die Anwürfe, die Marcel Reich-Ranicki schon vor zwei Jahren gegen Frau Wolf vorbrachte, scheinen inzwischen bei seinen Nachfahren angekommen zu sein. Zutreffender sind sie damit nicht geworden.

Christa Wolf ist ein großes Thema, sie zu „erledigen“ trägt Prestige ein. Hier genügt es nicht zu sagen: ,Was sie schreibt, gefällt mir nicht, ich mag es nicht, es interessiert mich nicht‘ . Oder gar: ,Davon verstehe ich nichts‘. Da wird weit ausgeholt zum großen Schlag, man glaubt sich sicher nach der Wende, weil die „Staatsdichter“ plötzlich im Schatten stehen, im Verdacht des Opportunismus, der nun auf all und jeden fällt, der drüben überdauert hat. Was sie vordem nicht wagten – nun ist ihnen die Stunde günstig, nun gab es da eine „Revolution“ in deren Lichte alles, was ihr vorausging, auf seine vorrevolutionäre Effizienz hin überprüft werden darf. Ach, Ihr guten Wessis.

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